Lerngeschichten

Lerngeschichten gehören zu den innovativsten Verfahren der Bildungsdokumentation in der frühen Bildung. In Deutschland wie auch weltweit. Wie sich diese universelle Methode weiterentwickelt hat und das Schreiben von Lerngeschichten reflektiert und praktisch gelingen kann, zeigen Erfinderin Margaret Carr und Wendy Lee Schritt für Schritt an mehr als 60 Lerngeschichten aus Neuseeland, Australien, Kanada, China und den USA in ihrem neuen wamiki-Buch: Lerngeschichten in der Praxis. Eine Leseprobe:

Diesen Artikel gibt es hier als PDF: Lerngeschichten_#2_2022

Lerngeschichten haben ein internationales Profil als Bewertungspraxis entwickelt. Diese ersetzt das formale Testen und bezieht Gelegenheiten zum Lernen ein. Sie ermöglicht es, pädagogischen Fachkräften, Kindern und Familien, das Lernen über mehrere Jahre hinweg gemeinsam und gründlich zu reflektieren. Und sie zeigt, wie die Bewertung des Lernens und die Lernbegleitung miteinander verwoben werden können, um wirklich Wandel zu erzeugen…

In Zahids Portfolio ist eine andere Variante zu finden, wie eine Geschichte erzählt werden kann. Es dreht sich darin um eine ganz andere Art von Grenze. Die Päda­gog*innen in der Vorschule unterstützen Zahid bei seinem Versuch, die Abwesenheit seines Vaters zu verstehen, der inhaftiert wurde, als er einwandern wollte. Diese Lerngeschichte wurde aus der Muttersprache des Kindes übersetzt.

In seiner ersten Lerngeschichte „Warten auf Papa diesseits der Grenze“ verhalfen die Pädagog*innen Zahid dazu, die von Mexiko ausgehende Reise seines Vaters auf einer Karte zu zeichnen, was ihm ermöglichte, die Grenze zwischen Mexiko und Kalifornien als starke Linie darzustellen. Sie luden ihn ein, seine Ideen und Gefühle mit Farbstrichen und Acrylfarbe auszudrücken, und zwar unter der Überschrift „Was könnten wir tun, um Dich beim Erforschen dieses Themas, das Dich so sehr interessiert, zu unterstützen?“. Dies löste die zweite Geschichte aus.

In der ersten Geschichte baten sie die Familie um einen Kommentar, und die Mutter antwortete: „Zahid schreibt nicht besonders gern, doch er spricht viel und versteht auch ziemlich viel. Er zeichnet nicht gern, doch vielleicht könnte er mit Eurer Unterstützung hier in der Schule Freude an Zeichnen oder Malen finden.“

In Zahids zweiter Lerngeschichte schreibt der Pädagoge einen ermutigenden Kommentar zu dieser neuen Art, seine Gefühle auszudrücken: „Zahid, von den Möglichkeiten, die wir Dir vorgeschlagen hatten, um das Thema der Reise Deines Vaters von Mexiko in die Vereinigten Staaten weiter zu erforschen, wähltest Du die Leinwand, dünne Pinsel und Acrylfarben, um den Begriff frontera (Grenze) darzustellen. Bislang hattest Du kaum Interesse am Malen, Schreiben oder an grafischen Darstellungen Deiner Ideen gezeigt. Deine bevorzugte Ausdrucksform war das Sprechen. Und darin bist Du ziemlich gut!“

 

Warten auf Papa diesseits der Grenze

Lerngeschichte 1

 

Was ist passiert? Um welche Geschichte geht es?

Zahid, Ich bewundere Deine Entschlusskraft, uns die Geschichte von den Reisen zu erzählen, die Dein Vater unternommen hat, um sich mit Dir und Deiner Familie in Kalifornien wieder zu vereinen. Auf einer Karte zeigtest Du uns Mexico City, von wo Dein Vater sich in den Norden aufgemacht hatte, wie Du uns sagtest. Du sprachst über die Grenze (la frontera) und batst uns, Dir zu helfen, Nebraska und Texas auf der Karte zu finden, weil Dein Vater dort, wie Du sagtest, festgehalten wurde. Wir fragten Dich: „Was ist die Grenze?“ Du antwortetest: „Es ist der Ort, wo sie dich einsperren, weil du ein Immigrant bist. Mein Vater wurde festgehalten, weil er zu seiner Familie nach Kalifornien gehen wollte, um mit mir zusammen zu sein.“

Worin liegt die besondere Bedeutung dieser Geschichte?

Zahid, mit dieser Geschichte, in der Du vom fehlgeschlagenen Versuch Deines Vaters, wieder mit der Familie zusammenzukommen, erzählt hast, offenbarst Du ein Verständnis, das weit über Dein Alter von 5;4 Jahren hinausgeht. Am Anfang sprachst Du von der Landkarte als Planet – so verstehst Du wohl Deine Welt: Ein Planet mit Linien, die Städte, Staaten und Länder voneinander trennen. Ein Gebiet, das Deine Aufmerksamkeit fesselte, war die Linie zwischen Mexico und den Vereinigten Staaten, die Du mit blauer Tinte nachgezogen hast, um den Ort hervorzuheben, an dem Dein Vater die Grenze überquerte, wie Du sagtest.
Es ist wirklich bewundernswert, wie selbstbewusst und redegewandt Du vor der Klasse stehst und bereit bist, Deinen Klassenkameraden Deine Gefühle und Gedanken mitzuteilen.

 

Was könnten wir tun, um Dich beim Erforschen dieses Themas, das Dich so sehr interessiert, zu unterstützen?

Zahid, wir könnten Dich einladen, die Geschichte von den Reisen Deines Vaters mit Deinen Klassenkameraden zu teilen, und wir könnten Deine Freunde einladen, auch ihre Geschichten von ihren Familien zu erzählen.

Wir könnten aufnehmen, was es für Dich bedeutet, auf dieser Seite der Grenze auf Deinen Vater zu warten, wenn Du davon sprichst. Wir könnten Dich unterstützen, Dein Interesse am Schreiben so in die Praxis umzusetzen, dass Du Briefe oder Nachrichten an Deinen Vater schicken kannst.

Vielleicht möchtest Du mit Pinsel und Acryl-Farbe ein Bild auf eine Leinwand malen, das Deine Gedanken und Gefühle darstellt.

Was sagt die Familie dazu?

Zahid schreibt nicht besonders gern, doch er spricht viel und versteht auch ziemlich viel. Er zeichnet nicht gern, doch vielleicht könnte er mit Eurer Unterstützung hier in der Schule Freude an Zeichnen oder Malen finden.

Mama, Isauro M. Escamilla

 

Unter derselben Sonne

Lerngeschichte 1

 

Was ist passiert? Um welche Geschichte geht es?

Zahid, von den Möglichkeiten, die wir Dir vorgeschlagen hatten, um das Thema der Reise Deines Vaters von Mexiko in die Vereinigten Staaten weiter zu erforschen, wähltest Du die Leinwand, dünne Pinsel und Acrylfarben, um den Begriff frontera (Grenze) darzustellen. Bislang hattest Du kaum Interesse am Malen, Schreiben oder an grafischen Darstellungen Deiner Ideen gezeigt. Deine bevorzugte Ausdrucksform war das Sprechen. Und darin bist Du ziemlich gut!

Die Tatsache, dass Du Pinsel und Acrylfarben wähltest, belegt, dass jedes Kind das Recht auf aktive Beteiligung haben sollte, wenn es um Entscheidungen über sein individuelles Lernen geht.

Worin liegt die besondere Bedeutung dieser Geschichte?

Zahid, ich freue mich über Deinen Entschluss, den Begriff frontera grafisch darzustellen. Nachdem wir die Anfangslaute jedes Buchstaben des spanischen Alphabets immer wieder gesungen hatten, dachte ich, Du würdest das Wort frontera buchstabieren und auf Papier schreiben. Doch das war nicht der Fall. Stattdessen hast Du Dich für etwas viel Komplexeres entschieden, hast einen Pinsel und Acrylfarben gewählt, um frontera auf eine Art zu „schreiben“, die zu den Erfahrungen mit Deiner Familie und besonders mit Deinem Vater passt.

Welche Möglichkeiten ergeben sich?

Zahid, Du könntest Dich vielleicht mit Deinen Klassenkameraden und Deiner Familie über Deinen kreativen Prozess austauschen. Während des Skizzierens und Malens hast Du bemerkenswerte Geduld bewiesen, denn Du musstest mindestens 24 Stunden warten, bis die erste Farbschicht getrocknet war und Du die nächste auftragen konntest.

Du wähltest die Farbe Braun, um die Mauer zu malen, die Mexiko von den Vereinigten Staaten trennt. Das hattest Du auf den Fotos gesehen, die auf dem Computer-Bildschirm auftauchten, als Du nach Bildern für das Wort frontera suchtest. Du bestandst darauf, eine gelbe Sonne auf unsere Seite der Mauer zu malen, weil Du meintest, das würde Dein Vater sehen, wenn er in Kalifornien ankommt. Daneben maltest Du sehr hohe, farbige Gebäude mit vielen Fenstern.

Ich hoffe, dass Ihr, Du und Dein Vater, eines Tages zusammen unter derselben Sonne spielen könnt.

 

Was sagt die Familie dazu?

Ich denke, es ist gut für meinen Sohn, Unterstützung von seinen Lehrer*innen in der Schule zu bekommen, so dass er ausdrücken kann, was er fühlt oder denkt. Obwohl ich mich manchmal frage, ob es nicht besser ist, das Thema ganz zu vermeiden.

Diese Monate waren sehr schwierig für jede und jeden in der Familie, für Zahid allerdings besonders, weil er der Älteste ist. Er sagt, dass er seinen Vater vermisst, auch wenn er ihn lange Zeit nicht gesehen hat. Und er sagt, dass er nach Mexico gehen will, wenn er älter ist, um mit seinem Vater zusammen zu sein.

Isauro M. Escamilla

Der Baum als dritter Erzieher

Hier gibt es den Artikel als PDF: Der Baum als 3. Erzieher_#2_2022

Kinder brauchen Freibäume, um selbstbestimmt Tätigkeiten und Spielpartner auszuwählen. Wir stellen ihnen anregungsreiche Funktionsbäume zu Verfügung, die nach dem Grundsatz „Bäume bilden“ hohen Aufforderungscharakter tragen, durch ansprechende Gestaltung zum Verweilen einladen, aber als passive Erzieher Grenzen setzen, was den Kindern gut tut. Alle Bäumlichkeiten haben eine alters- und entwicklungsentsprechende, lernanregende Ausstattung, die die Kinder motiviert, sie täglich, unterschiedlichen Themenschwerpunkten entsprechend, frei zu wählen.

Einer der wichtigsten Funktionsbäume ist der Konstruktionsbaum. Er bietet zahlreiche Materialien wie größere Äste und kleinere Zweige an, die er zu herausfordernden Konstruktionen verbindet. Besonders beliebt ist der Kreativbaum, unter dem Blätter in ganz verschiedenen Formaten bereitliegen und die Kinder zu kreativen Tätigkeiten ermuntern. Der Bewegungsbaum hingegen bietet Kindern mit seiner Kletterecke, dem breiten Stamm und den Sprossenästen Möglichkeiten, ihre Beweglichkeit zu testen und zu schulen. Darüber hinaus verfügt der Bewegungsbaum über ein starkes Wurzelwerk, auf dem Kinder balancieren und ihr tägliches Anti-Stolper-Training absolvieren können – frei nach dem Motto: „Kinder brauchen Wurzeln“. Am Gesellschaftsspielbaum liegen diverse Rinden-Puzzles bereit. Und unser Ruhebaum mit seinem dichten, herabhängenden Blattwerk bietet uns allen – Kindern wie Erwachsenen – einen Ort der Entspannung. Unser Lesebaum folgt dem Motto „Buche statt Buch“, weil Kinder erst in der Schule lesen lernen. Außerdem gibt es noch die Erwachsenen vorbehaltenen Bäume: den Teambaum mit seinen Hängematten, den Bürobaum und einen zum Glück großen Abstellbaum. Für sensible Elterngespräche gibt es einen ruhigen Besprechungsast, garantiert nicht angesägt.

 

Damit alle Bäume immer ansprechend und gepflegt aussehen, hat jeder Baum eine Baumverantwortliche, die in jeder Jahreszeit konsequent auf die Verwendung natürlicher Materialien achtet. Deshalb sind alle Bäume aus nachwachsendem Holz gestaltet.

Damit die Kinder den Jahreskreis erleben, passen wir die Gestaltung der Bäume den Jahreszeiten durch hellgrünes, tiefgrünes, gelbes oder rotes Blattwerk in unterschiedlichen Formen an. In den Wintermonaten findet unser Projekt „Laubwerkfreie Zeit“ statt, damit die Bäume mal verschnaufen können.

Lasst uns auf Schatzsuche gehen!

„Des einen Plunder, ist der Schatz des anderen“, sagte Peterson zu seinem Kater Findus. Wenn wir mit Kindern die Natur entdecken, begeben wir uns immer wieder auf Schatzsuche. Hier gibt es den Artikel als PDF: Lasst uns auf Schatzsuche gehen_#2_2022 Es gibt unendlich viele Schätze zu entdecken und wer mit Kindern unterwegs ist, erlebt die…

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Geschenke für den Baum

Kinderkrippe „Genoeffa Cervi“ Wie Kinder mit der Fülle und Pracht der Natur in hundert Sprachen – analog und digital – kommunizieren Hier gibt es den Artikel als PDF: Geschenke fuer den Baum_#2_2022 Aus: KünstlerInnen und AkteurInnen: Mädchen und Jungen im Alter von 1,6 bis 2,7 Jahren: Agata, Aida Maria, Allegra, Andrea, Aurora, Benedetta, Camilla, Carlotta,…

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Wie Kinder sich und die Natur entdecken

Die Wirklichkeit mit den Augen der Kinder zu sehen ist ein riesiger mentaler Umdenkungsprozess für Erwachsene, aber er ist notwendig, sagt der Pädagoge und promovierte Naturforscher Salman Ansari. Denn dann können wir Erwachsenen den Naturphänomenen mit Neugier, Staunen und Begeisterung begegnen und lernen, wie wir gemeinsam mit Kindern Fragen an die Natur stellen.

Hier gibt es den Artikel als PDF: Wie Kinder sich und die Natur entdecken_#2_2022

Herr Ansari, Sie sagen: Begriffe wie „Kind als Forscher“ und „Forscher-Experiment“, vornehmlich geprägt von Akteuren aus Stiftungen, führen in die Irre. Diese Begriffe seien in der frühen Bildung ein großer Hokuspokus. Warum? Was meinen Sie damit?

Kategorien wie „Kind als Forscher“ und „Forscher-­Ex­periment“ entsprechen nicht den Denkmustern der Kinder. Sie verwirren, führen in die Irre, weil Naturerfahrung nicht automatisch Naturwissenschaft ist. Der Entdeckergeist der Kinder geht nicht von einer Hypothese aus, die überprüft werden muss. Kinder entdecken ihre Welt ohne eine erkennbare Planung, Methode und Kontrolle. Planung, Methode, Technik und Kontrolle sind aber die Kategorien, die ein forschendes Experiment von Erwachsenen charakterisieren. Kindern dergleichen anzutragen, grenzt an Hokuspokus. Schlimmer noch: Es verstellt Kindern den notwendigen eigenen Zugang zu Naturphänomenen. Wenn Kinder Geräte zur freien Verfügung gestellt bekommen, die sie soeben noch zur Durchführung eines von Erwachsenen geplanten, kleinteilig angesagten Experiments benutzt haben, dann setzen sie diese nicht mehr ein, um das Experiment zu wiederholen. Ganz im Gegenteil: Sie integrieren die Geräte spontan in ihre eigenen Spiele, geben ihnen neue Funktionen, nutzen sie um. Auch hieran erkennt man den Unterschied zwischen dem Bild eines Forschers, wie es noch in den Köpfen vieler Erwachsenen – zum Beispiel in Stiftungen – existiert, und dem Verlangen eines Kindes, sich die Welt nach seinem eigenen Maßstäben und seinen eigenen Kräften anzueignen.

Lernen ist ein Vorgang, in denen Kinder selbständig ihre vorhandenen Konzepte durch neue eigene Erfahrungen modifizieren. Es ist daher müßig, Wissen nach seinem eigenen Denkschema in die Kinderköpfe hineinpressen zu wollen. Die Belehrungsstrategien von Erwachsenen funktionieren nicht. Ursprüngliches natürliches Lernen geht anders. Dies ist zu beachten, wenn von entdeckendem Lernen die Rede ist. Lernen ist meiner Erfahrung nach nur fruchtbar, wenn ein erklärungsbedürftiger Sachverhalt in einem nachvollziehbaren alltäglichen Kontext erscheint und zu Fragen anregt. Was sich unserem Erfahrungs- und damit Interpretationshorizont entzieht, kann nicht durch fertige Fragen und vorgedachte Experimente aufgeklärt werden, die gar nicht von den uns vertrauten Erfahrungs- und Erklärungsmustern ausgehen. Jedes Geschehen, in das man sich selber nicht mit eigenen Ideen einbringen kann, verkümmert letztlich zu bloßem Aktionismus und hinterlässt kaum Spuren im Gehirn. Erinnern wir uns an unser eigenes Kind sein. Fast jeder von uns hat erfahren, dass Lehrstrategien, die sich nicht den Denkmustern der Kinder anpassen, kaum Zuwachs an Erfahrung und Wissen bewirken. Wir können als Erwachsene aber sehr wohl kreative Lernprozesse moderieren, wenn wir an das Vorwissen der Kinder anknüpfen und wenn Kinder auf die Widersprüche ihres Weltverständnisses stoßen.

Wie zum Beispiel?

Im Gelände einer Kita haben die Kinder Feuerkäfer und Marienkäfer entdeckt. Im Gespräch bemerke ich, dass ich wohl verstehen kann, weshalb der Feuerkäfer so heißt, weil er ja feurig rot aussieht, doch wieso heißt der andere Käfer Marienkäfer? Die Kinder meinen, wegen der Punkte auf seinem Rücken. Aber der Feuerkäfer hat doch auch Punkte auf dem Rücken, sage ich, trotzdem heißt der Feuerkäfer nicht Marienkäfer.

Die Kinder finden meinen Einwand berechtigt und machen sich sofort daran, die beiden Käferarten in Hinblick auf die Unterschiede und Ähnlichkeiten genauer zu untersuchen. Sie modifizieren ihre Konzepte und haben die Möglichkeit, etwas zum Gegenstand ihres eigenen Denkens zu machen – eine unabdingbare Voraussetzung, Zusammenhänge zu verstehen. Unsere Wirklichkeit mit den Augen der Kinder zu sehen ist ein riesiger mentaler Umdenkungsprozess. Wenn es uns Erwachsenen gelingt, die Denkschemata der Kinder nachzuempfinden, dann können auch wir den Alltagsbildern und Naturphänomenen mit Neugier, Staunen und Begeisterung begegnen und lernen, wie wir gemeinsam mit Kindern Fragen an die Natur stellen. Der Dialog und damit die Sprache spielen eine herausragende Rolle beim Lernen. Denn der Dialog ist ein Vorgang der personalen Begegnung. Im Dialog

erfahren wir, wie Kinder über einen Sachverhalt denken. Und die Kinder hören, welche Vorstellungen die anderen Kinder über ein und denselben Sachverhalt haben. Somit erlangen sie eine größere Bewusstheit ihrer Wirklichkeit und ihres Denkens.

Ein Wissen, das nicht in einen Dialog mit der Wirklichkeit eintreten kann, ist ein nutzloses Wissen, ein träges Wissen! Weil Kinder es nicht anwenden können, um sich selbst und ihre Welt besser zu verstehen. Es beeinträchtigt nur ihre Sinneswahrnehmungen.

Wann hören Kinder bzw. wir auf, Fragen zu stellen? Wann erstirbt die Neugier?

Der Antrieb zu lernen ist der Wunsch nach Selbstständigkeit, damit wir uns in der Welt bewähren können. Es ist ein natürliches, existenzielles Bedürfnis. Wenn uns die Möglichkeiten, selbstständig zu handeln, genommen werden, verlieren wir den Drang nach Autonomie. Die Phänomene der Natur bieten sich uns nicht mehr als Frage an, und wir hören auf, selbst Fragen zu stellen. Stattdessen verlassen wir uns auf Antworten von anderen. Neugier ist der Beginn einer Befragung, dann kommt das Staunen und dann das Fragen. Wir müssen versuchen, die Neugier der Kinder bis ins hohe Alter hinüber zu retten. Kinder geben diese wunderbare Eigenschaft viel zu früh auf. Wenn Kinder eine Lernumgebung vorfinden, die arm an eigenständigen Erfahrungsmöglichkeiten ist und Kindern Konzepte aufbürdet, die sie nicht selbstständig, also vor dem Hintergrund ihres Vorwissens, erwerben können. Wenn sie Antworten auf Fragen bekommen, die sie gar nicht gestellt haben, und ihnen Begriffe oder Zusammenhänge erklärt werden, die außerhalb ihrer Denkmöglichkeiten liegen, dann kann keine Neugier entstehen. Es ist fast so, als müsste ich in einer Fremdsprache etwas sagen lernen, das ich noch gar nicht in meiner eigenen kann.

Das kindliche Lernen ist unmittelbar mit der Anwendung des erworbenen Wissens verbunden. Kein Kind würde etwas lernen, wenn es das Gelernte nicht nutzbar machen könnte, um sich selbst und seine Wirklichkeit zu entdecken. Das ursprüngliche frühe Lernen ist auf das ganzheitliche sinnliche Verstehen ausgerichtet, das es dem Kind ermöglicht, sich zu orientieren. Ein Lernen auf Vorrat gibt es folglich nicht. Auch später in der Schule sollten wir Lernprozesse so organisieren, dass die Formen des ursprünglichen Lernens unverfälscht fortgesetzt werden können. Dazu gehört auch zu vermeiden, dass das anfängliche schulische Lernen vornehmlich kognitiv ausgerichtet wird, wodurch das Kind als körperlos betrachtet und damit eine wesentliche Quelle seiner Erfahrung und seines Lernens ausgeblendet wird und ungenutzt bleibt. Auf die Bedeutung der Selbst- und Welterfahrung durch den Körper und die Sinne beim ursprünglichen Lernen weisen Fachkräfte der frühen Bildung seit Jahrzehnten entschieden hin.

Das eigentliche Curriculum ist der Alltag der Kinder und die Bewusstwerdung der Außenwelt. Fast alles kann aufregend sein und eignet sich, um ein Naturverständnis zu schärfen.

Zum Beispiel?

Nehmen wir den Löwenzahn, er wächst fast überall. Was ist Löwenzahn? Ist das eine Pflanze? Von Löwenzahn kann man soviel Wunderbares lernen. Er verwandelt sich im Verlaufe seines wiederkehrenden Lebens so wie ein wirklich Lernender. Er verweigert sich, im Schatten anderer zu stehen. Niemals entdeckt man ihn im Wald oder unter einem Baum. Er zieht es vor, am Rand des Waldes unter freiem Himmel zu wachsen, aber auch auf weiten Wiesen. Wie alle wahren Weisen, vermag er die Leiden anderer Lebewesen zu lindern. Seine Wurzeln sind tief im Boden verankert. Er ist stark und widerstandsfähig. Um ihn näher kennenzulernen könnten wir gemeinsam Antworten auf Fragen suchen:

Zum Beispiel: Warum heißt Löwenzahn nicht Elefantenzahn? Warum wächst der Löwenzahn nicht im Wald, sondern auf den Wiesen? Braucht Löwenzahn Wasser; wie bekommt er das Wasser? Nachts geht die Blüte des Löwenzahns zu, hat sie Angst vor der Dunkelheit? Auf einer Wiese wächst der Löwenzahn fast einen Meter hoch und auf der anderen bleibt er klein. Was ist hier los? Warum ist das so? Im Wald gibt es Stellen, wo Kräuter wachsen. Doch sie verschwinden, sobald die Bäume sich zu belauben beginnen. Warum ist das so? Wie macht man Löwenzahnhonig?

Oder: Wie kann man Löwenzahn-Tinktur zum Lindern von Bauchschmerzen selber herstellen?

Es gibt so viele Themen aus dem Kinderalltag für ein Nachdenken über die Natur. Ein Beispiel dafür, wie sich ein Gespräch entwickeln kann: In einem Vogelnest entdecken Kinder Haare. Wo hat der Vogel diese gefunden?, fragen sie. Ein Kind meint, die Friseure würden manchmal die Ladentür offen stehen lassen. Die Vöglein könnten schnell hineinfliegen und Haare klauen. Diese Hypothese wird jedoch von anderen Kindern verworfen. Einige Kinder meinen nun, dass es in der freien Natur auch Tiere gebe, die Haare verlören, so wie Hunde und Katzen. Andere Kinder wissen auch, dass Tiere im Winter ein dickeres Fell haben als im Sommer.

Wir Erwachsenen müssen umdenken, Einfachheit anstreben, lernen mit Kindern zu spielen und dem Selbstverständlichen, dem Alltäglichen mit Neugier zu begegnen.

Im Spiel lernen Kinder, Emotionen zu kontrollieren, geduldig Fehlschläge und Frustrationen hinzunehmen. Sie lernen, sozial und gerecht miteinander umzugehen, gemeinschaftlich Konflikte zu lösen, sich in unerwarteten Situationen zu bewähren. Das freie Spiel trägt zum Erwerb von intellektuellen Strategien bei, die Kindern dabei helfen, kognitive Herausforderungen zu bewältigen. Im Spiel lernen Kinder alle Instrumentarien zum erfolgreichen Lernen. Zum Beispiel Ideenreichtum, Selbstständigkeit, soziale Kompetenzen im Umgang mit anderen, Gerechtigkeit und Anteilnahme. Spielen ist der Wunsch nach neuen Erfahrungen. Gerade weil das Spielen nicht auf ein vorbestimmtes Ziel ausgerichtet ist, können Kinder spontane Ideen bzw. Entscheidungskompetenzen entwickeln und Kreativität entfalten.

Kinder sind heute vielfach unendlichen Reizen und virtuellen Welten ausgesetzt. Sie sehen die alltäglichen Bilder des Grauens und Schreckens. Sie nehmen teil an Geschehnissen der Welt, die sie nicht verarbeiten können. Kindheit als Schonraum ist nicht selbstverständlich. Daher haben Kinder Anspruch auf Gegenwelten, in denen sie die Schönheit der Natur, Sprache, der Musik, der Kunst erfahren können. Kinder brauchen Orte, wo sie in den unendlichen Räumen ihrer Vorstellungskraft Wirklichkeiten entstehen lassen können, die ihnen das Gefühl von Selbstvertrauen, Geborgenheit und Freiheit vermitteln. Kinder brauchen Naturerfahrung. Kinder brauchen Begegnungen mit Jim Knopf, Michel von Lönneberga, Madita und Pu dem Bären. Kinder brauchen Ferien auf Bullerbü und Reisen zu den Inseln, wo die wilden Kerle wohnen. Die Kindheit der Kinder wird fehlgeleitet, wenn man ihre Zukunft als Ingenieur oder Forscher schon in ihre ersten Lebensjahre projizieren würde. Unsere Welt ist undurchschaubar und unplanbar geworden wie nie zuvor. Wir wissen nicht, wie sie in zwanzig, dreißig Jahren aussehen wird. Wir wissen auch nicht, ob die Techniken, die wir heute als Vehikel des Fortschritts deklarieren, in zwanzig Jahren werden adäquat sein können, um die Werte der Humanität zu verwirklichen.

Was wir aber tun können, was wir uns zur Aufgabe machen sollten, ist, die angelegten Fähigkeiten der Kinder – und zwar jenseits aller Ideologien – kontinuierlich weiterzuentwickeln: die Fähigkeit, eigenständig zu denken; die Fähigkeit zu einem erfüllten sozialen Miteinander; die Fähigkeit, die Gestaltungsmöglichkeiten unserer Gesellschaft kreativ zu nutzen und sinnvoll weiterzuentwickeln. So wird auch die ursprüngliche Neugier, die Fähigkeit, sich zu öffnen und seinen Horizont beständig zu erweitern und daraus Kraft und Sinn zu schöpfen, nicht verkümmern.

In Ihrem neuen Buch (siehe unten) belegen Sie: Weltverständnis setzt Ehrfurcht vor der Natur und das Staunen über ihre Rätselhaftigkeit voraus, daher steht im Mittelpunkt des pädagogischen Handelns die kindgemäße Auseinandersetzung mit den Phänomenen der Natur, die unmittelbar zugänglich sind. Was können Erwachsene noch tun?

Kinder brauchen Vorbilder zur Nachahmung und ich wiederhole nochmals: keine Laborexperimente. Ein Beispiel: Auf dem Gelände einer Kita entdecken die Kinder eine tote Hummel. Als ich sie auflese und auf meine Handfläche lege, sind sie entsetzt. Keines ist bereit, die Hummel zu berühren. Ich erzähle, wie schön es sich anfühlt, wenn ich mit dem Finger sachte die Hummel streichele. Ich lade sie ein, zusammen mit mir zu untersuchen, ob die Hummel Mund, Augen, Nase oder gar Zähne hat. Doch die Kinder wollen mir nicht folgen. Wo Ängste im Spiel sind, kann keine Neugierde aufkommen. In vielen Kitas werden seit einiger Zeit mit Unterstützung von Stiftungen Modelle von Solaranlagen, Windrädern, Gerätschaften und Materialien zur Wasseraufbereitung und vieles mehr verfügbar gemacht. Die Welt der Nachhaltigkeit soll über Experimente vorzeigbar werden. In Wahrheit sind es verkopfte Reduktionen der Wirklichkeit, die den Kindern erschweren, in einen Dialog mit der Wirklichkeit einzutreten. Hin und wieder bemühen sich Erzieherinnen, die erworbenen Gerätschaften im Namen der Nachhaltigkeit einzusetzen. Wenn man mit ihnen spricht, merkt man schnell: Viele von ihnen sind der Meinung, dass sie damit die Kinder nicht erreichen können. Sie selber durchschauen viele Zusammenhänge nicht, die sie mit Apparaten und Technik an Zwei- bis Fünfjährige weitergeben sollen. Sie wissen genau, dass Kinder vieles begeistert mitmachen, was nach Experiment aussieht und am besten laut und spektakulär daherkommt.

Ein Beispiel: In einer Kita soll Papier recycelt werden. Die Erzieherinnen lassen die Kinder wissen, dass das Papier Holzfasern enthält. Diese können die kleinen Forscher jedoch im Papier nicht erkennen, selbst mit einer Lupe klappt es nicht. Sodann sollen sie eine Zeitung in kleine Schnipsel zerteilen und in einem Eimer mit Wasser einweichen. Die Kinder kneten die Papiermasse zu dunklem Brei. Die Masse wird mit einem Sieb herausgeholt. Die Kinder lassen die Masse abtropfen und legen sie dann auf ein Brett. Was da entstanden ist, sieht nicht wie Papier aus, und die versprochenen Holzfasern bleiben weiter unsichtbar. Aber immerhin hat den Kindern das Unternehmen sichtlich Spaß gemacht. Projekte wie dieses sollen laut Stiftungen wie zum Beispiel vom „Haus der Kleinen Forscher“ und der Boschstiftung die Kinder befähigen, die eigene Lebenswelt besser zu verstehen und mitzugestalten – gerechter, gesünder und ressourcenschonender. Doch Versuche, die nichts mit den Wahrnehmungsmöglichkeiten der Kinder zu tun haben, die zu komplex sind oder nicht funktionieren, werden diesem Anspruch nicht gerecht. Bereits nach einer Stunde kann sich kaum ein Kind mehr an das Papier-Experiment erinnern – geschweige denn an Hintergründe oder einfache naturwissenschaftliche Zusammenhänge. Kreative Lernprozesse können wie gesagt nur durch ein Anknüpfen an das Vorwissen der Kinder stattfinden und wenn die Kinder selbst auf die Widersprüche ihres Weltverständnisses stoßen. Genau dies können diese Art von Weltverbesserungsvorschlägen der Stiftungen nicht leisten.

Wie kann ein gelungenes Kita-Projekt aussehen?

Dass es auch anders geht, war in einer Kita in Offenbach am Main zu beobachten. Die Erzieherinnen haben davon erfahren, dass der Lebensraum der ohnehin bedrohten Schwarzstörche zusätzlich durch den Bau von Windenergieanlagen bedroht ist.

Die Pädagogen wissen auch, warum in letzter Zeit viele Störche im Winter nicht mehr nach Afrika fliegen, sondern genug Nahrung auf den Müllhalden in Spanien finden. Als Erwachsene können sie sich gut vorstellen, wie sich die Heuschrecken ohne die Störche, nicht nur in Afrika, vermehren und welche Konsequenzen daraus resultieren werden.

Sie beschäftigen sich daher mit den Lebensgewohnheiten der Störche – auch zusammen mit den Kindern. Behutsam und Schritt für Schritt. Mitarbeiter hatten entdeckt, dass in der Nähe der riesige Baum mit dem Storchennest umgefallen war. Erzieherinnen und Kinder schauen sich das heruntergefallene Nest genauer an. Gemeinsam möchten die Kinder so ein Nest modellhaft nachbauen. Die Kleinen sind erstaunt darüber, dass der Horst nicht nur wie ein Korb aussieht, sondern auch noch unglaublich groß ist, was man vom Boden aus betrachtet nicht sofort erkennen kann. Nicht selten sind die Nester vier Meter hoch, mit einem Durchmesser von zwei Metern. Die Kinder bewundern die festen Ränder der Körbe, die mit starken Ästen und Zweigen befestigt sind, selbst ein Sturm kann sie nicht zerstören. Die Kinder lernen die Vielfalt der Zweige und Äste kennen, die zum Bau benötigt werden. Die Pädagogen haben gesammelt und stellen ihnen Schilfrohr, Zweige einer Esche, Weißdorn, Haselnuss, Vogelbeere, Forsythie vor. Zum ersten Mal in ihrem Leben erleben Kinder sinnlich, wie diese Hölzer aussehen, und besuchen Orte, wo sie aufwachsen. Für das Bett im Horst werden Federn, Moos und Laub gebraucht. Im nächsten Schritt beschäftigen sie sich mit den Nahrungsgewohnheiten der Störche. Sie verstehen nun, warum die Störche dabei sind, wenn die Felder und Wiesen gemäht werden. Die Kinder sehen Bilder von Würmern, Larven, Heuschrecken, Mäusen, Fröschen, Schlangen und anderen Reptilien. Kaum ein Kind kennt diese Lebewesen. Aus Legosteinen wird ein Haufen gebildet, der dem Gewicht der Insekten entspricht, die eine Storchenfamilie jeden Tag vertilgt. Die Kinder sind erstaunt über die Größe des Haufens. Sie lernen auch, dass nicht nur die Störche, sondern auch viele andere Vogelarten im Winter wegen der Nahrungssuche nach Süden bis nach Afrika fliegen. Dabei machen sie Bekanntschaft mit Vogelarten, die vom Aussterben bedroht sind. Ich denke, zuallererst sollen die Kinder – wie an diesem Beispiel deutlich wird – über die Schönheit und Rätselhaftigkeit der Natur staunen lernen. Erfahrungen, die bleibende Spuren im Gehirn hinterlassen, können Wirkungen entfalten, die unser Verhalten nachhaltig prägen.

Wächst man in einer Großfamilie auf, dann hat man potenziell die Möglichkeit zu erlernen, was es bedeutet, Verantwortung für die jüngeren Geschwister zu übernehmen.

Wer als Kind erfahren hat, dass Erwachsene für das Glücklichsein nur weniger weltlicher Güter bedürfen, wird es später leicht haben, Verzicht zu üben. Vorbilder können Bewusstseins-, Einstellungs- und Verhaltensänderungen bewirken, Laborexperimente können es nicht.

Foto: flausenimkopf / Photocase

 

Unser Bild von Pflanzen

… ändert sich gerade gewaltig. Das verdanken wir Pflanzenforschern wie Stefano Mancuso, der uns in seinen Büchern rät, von den Pflanzen zu lernen, um zu überleben. Hier gibt es den Artikel als PDF: Unser Bild von Pflanzen_#2_2022 Die unglaubliche Reise der Pflanzen Wir wissen kaum etwas über Pflanzen und oftmals ist das wenige, das wir…

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Die Welt – wie wir sie kennen?

Jeder von uns hat dieses Foto schon einmal gesehen: Die Erde, ein Planet von majestätischer Schönheit, der in der dunklen Leere des Alls zugleich so zart und zerbrechlich wirkt wie eine farbenprächtige Insel des Lebens in den dunklen Weiten des Universums. Das Grün verdankt der Planet seiner Vegetation, das Weiß den Wolken und das Blau…

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Magische Pflanzen

Hier gibt es den Artikel als PDF: Panorama_#2_2022

Mein Freund, der Baum

Was singen die wamikis beim Fertigstellen dieser Ausgabe?

Sag mir, wo die Blumen sind? Mein Freund, der Baum? Der Traumzauberbaum? Oh Tannenbaum? Be sure to wear flowers in your hair?
Hier könnt ihr reinhören:

Erde?!
Ohne Erde gäbe es weder Pflanzen noch Tiere und Menschen. Doch auch wenn die gesamte Zivilisation auf ihm gründet, scheint er für die meisten von uns nicht mehr als der Dreck an unseren Schuhen zu sein.

Ein Wissen über die Erde, den Boden, unsere Lebensgrundlage, entwickeln Kinder nicht von selbst. Auch dann nicht, wenn sie in den indischen Dörfern nah am Boden leben. Und in den Megacities gibt es auf den versiegelten Böden für die Kinder keinerlei Erfahrung von organischem Wachstum. Auch in Indien wie in anderen Gesellschaften weltweit ist „nachhaltige Entwicklung“ zu einem alternativen Bildungsziel geworden.

Die Dokumentarfilmer Otto Schweitzer und Donata Elschenbroich konnten umweltpädagogische Projekte von eindrucksvoller Qualität beobachten: Kinder, die Herbarien anlegen von in ihrem Nährwert unterschätzten „Unkräutern“, und statistische Erhebungen durch Jugendliche in ihren EcoClubs zum Klimawandel und zur Ökologie ihrer Dörfer. Auch in der Megacity Kalkutta bemühen sich Pädagogen, den Kindern in ihrem survival of the fittest eine sinnliche Erfahrung zu ermöglichen mit einer Handvoll Erde: Wurzeln, Pflanzen – auf den Dächern der Slumschulen: Erde auf dem Feld – Erde auf dem Dach. Einzelfilm Nr. 23 in der Weltwissen-Edition für Kindergarten, Familie und Schule.

 

 

Stadtwildpflanzen

Du hast keinen grünen Daumen?
Du kennst dich nicht aus?

In deiner Beton-Stadt gibt’s nur Hundekacke?

Macht nix.

Geh mit Jonas Frei spazieren und ent­decke deine biodiverse Stadt. In Mauerritzen, Lücken im Asphalt, an Straßen und Gleisen. Begegne Vogelmiere, Götterbaum und der wilden Karde. 52 Ausflüge in die urbane Pflanzenwelt. Städte – auch deine – können eine Chance für die Pflanzenvielfalt sein: Jonas Frei: Stadtwildpflanzen.

352 Seiten, gebunden, AT Verlag 2022,
28,– Euro

 

Wie du illegal einen Wald pflanzt

Einen Wald pflanzen ist kompliziert und teuer? Auf keinen Fall! KATAPULT zeigt dir, wie man mit etwas Zeit und Handarbeit einen Wald ohne Geld und ohne eigenes Grundstück pflanzt – legal oder illegal, aber auf jeden Fall zu Recht!

Wie man illegal einen Wald pflanzt. 180 Seiten, gebunden, Katapult Verlag, 18 Euro.

 

 

 

Geschichten aus der Luft

Wahrnehmbar, doch nicht greifbar: Parfüms sind flüchtige Boten aus der Welt der Pflanzen. Weißt du, wie man Rosenparfüms macht? Fünf-und sechsjährige Kinder aus dem Kindergarten „Salvator Allende“ haben es ausprobiert und ein Anleitungsbuch für die Vierjährigen geschaffen:

Reggio Children: Ideen bilden, Poster 17.

Das Lied der Bäume

Im Stadtpark gibt es einen ganz besonderen Ort. 18 große Bäume bilden einen Riesenkreis. Mit ihren langen Zweigen scheinen sich die Bäume im Kreis zu halten. Fünfjährige Kinder aus dem Kindergarten „Diana“ erforschen den Baumkreis, hören die Bäume singen und entdecken das Alphabet der Bäume.

Reggio Children: Ideen bilden, Poster 8.

 

 

Sieben Gärten

Sevengardens ist eine global agierende Netzwerkinitiative des gemeinnützigen Vereins atavus e. V. Basis der Arbeit von sevengardens sind Färbergärten. Die Gewinnung von Naturfarben aus Färberpflanzen ist Ausgangspunkt für ein niedrigschwelliges Partizipationsmodell. Darüber initiiert „sevengardens“ vielfältige Projekte, insbesondere in den Bereichen Bildung für nachhaltige Entwicklung, Erhaltung der Biodiversität und Förderung lokaler Wirtschaftskreisläufe. Mehr zu Ideen, Projekten, Workshops und Praxistipps aus dem weltweiten Färber­garten-Netzwerk für eine bessere Welt gibt es unter: http://sevengardens.eu/

 

Der Optimismus der Gänseblümchen

 

Es gibt große Themen in kleinen, wenn Kinder aus der Krippe „Gianni Rodari“ versuchen, der Welt Sinn und Ordnung zu geben: die Gänseblümchen zum Beispiel. Sie sind zart und doch widerstandsfähig, in großer Menge, gleich und doch verschieden, verwandeln sich, wachsen, sterben, werden wiedergeboren. Sie sind Ausdruck eines interessanten biologischen Kreislaufs und verkörpern eine Art heiteren Optimismus, wenn sie im Frühling pünktlich auf der Wiese erscheinen. Diese und mehr Projektgeschichten aus der besten Praxis von Krippen und Kitas sind anzuschauen im Buch: Grenzen überschreiten.
Herausgegeben von Reggio Children. Erschienen bei wamiki.

 

 

Gemüse Ackerdemie für Kitas und Co.

Viele Kinder haben keinen Bezug zur Natur. Die Orte, an denen Natur für sie erfahrbar wird, verschwinden. Lebensmittel landen im Müll. Und ein Großteil der Kinder isst zu wenig Gemüse. Die Erfinder der Gemüse Ackerdemie glauben, das hängt alles zusammen und darf so nicht bleiben. Deshalb fördern sie eine Gesellschaft, in der die Menschen die Natur als Lebensgrundlage schätzen. Sie machen erfahrbar, wie Lebensmittel hergestellt werden.

Foto: Jeremy Bishop / unsplash

 

Gedicht: Sarah Kirsch

 

Wie Ölbäume schimmern die Weiden

Blaugrün und zitternd, die Pappeln

Ahmen Zypressen nach (dunkler

Dunkler! Vertieft eure Schatten!). Der Wind

Übt Fall und Flug seines Bruders Mistral

 

Foto: Kalen Emsley/unsplash

Schlaue Pflanzen

Wir sind Fauna, was seid ihr?

Hier gibt es den Artikel als PDF: Wortklauber-Gedicht_#2_2022

Allzu gerne teilt der Mensch die Welt in uns und die anderen ein. Er selbst findet sich dann im Super-Team wieder, versteht die andere Seite nicht und vergisst zudem den „Rest“. So, wie der Mensch gerne „Männer sind so, Frauen anders“ denkt – und alles, was sich der Sortierung verweigert, ausblendet –, sieht er auch die Sache mit Fauna und Flora sehr zugespitzt: Wir sind die, die so essentielle Dinge wie Laufen, Kommunizieren, Denken und Fühlen drauf haben, die anderen nicht.

Ergebnis der Denkfaulheit: Die Tiere sind schützenswerter, genießen mehr Rechte und Respekt. Zumindest Wirbeltiere darf man nicht quälen oder töten – außer man will sie verzehren. „Tierschutz“ sorgt sich um bedrohte Tiere, während „Pflanzenschutz“ Gifte bezeichnet, um alle unerwünschten Pflanzen auszurotten.

Erst in den letzten Jahren fordern Aktivisten, auch Pflanzen oder sogar Ökosysteme mit Rechten gegenüber dem Alleskiller Mensch auszustatten. Und Wissenschaftler erkennen: Pflanzen innerhalb eines Ökosystems kommunizieren miteinander – auch über Gattungsgrenzen hinweg, denken auf ihre Weise, entwickeln Strategien für Nahrungssuche und sind mobil genug, um sich über ganze Erdteile auszubreiten. Wenn also Pflanzen über ihre Art von Intelligenz verfügen, könnte das am menschlichen Selbstbewusstsein rütteln: Bisher fühlten wir uns als schlaustes Lebewesen. Gibt es etwa im Pflanzenreich jemanden, der tausendmal schlauer ist als wir?

Zwar hält sich der Mensch für schlauer, aber gesteht mancher Pflanze immerhin zu, besonders schön zu sein. Das führt dazu, dass man seit alters her Menschen mit botanischen Namen versieht. Leider kommt dabei aber wieder der menschliche Hang zur Einseitigkeit durch, wie ein Blick in die Sammlung „Kindernamen botanischen Ursprungs“ auf der Seite „Mutterinstinkte.de“ beweist: Mit all dem Instinkt, den wohl nur Mütter haben, listet die Seite unzählige Beispiele floraler Namen auf – in der Rubrik „Mädchennamen“. Da finden sich Erika, Viola und Jasmin, aber auch die margeritenhafte Margret, die liliengleiche Lily und die an übles Tee-Kraut erinnernde Camilla. Immerhin schafft es mit „Olivia“ auch eine essbare Pflanze in die Vornamen-Charts. Und bei Jungs? Da präsentieren Portale botanische Knabennamen wie „Ash“ und „Oleander“ – aber von Knaben mit solchen Namen hat man wie vom angeblich gebräuchlichen „Koriander“ noch nix gehört. Dafür tummeln sich Löwen (Leo), Bären (Urs) und Wölfe (Wolfgang). Vornamenmäßig, man merke, ist noch klar: Mädchen sind zarte Blümchen, Jungs wilde Raubtiere.

Doch manchmal wehren sich auch zarte Pflanzen gegen Angreifer, nicht immer so erfolglos wie Goethes „Heide­röslein“: „Röslein wehrte sich und stach, half ihm doch kein Weh und Ach, musst‘ es eben leiden…“ Eine echte Metoo-Situation!

„Trotzdem nicht dumm“, konstatieren Wissenschaftler, bemisst sich doch die Intelligenz der Pflanze wie bei allen anderen Lebewesen nach deren Fähigkeit, Alltagsprobleme zu lösen, also Nahrungssuche und Abwehr von Fressfeinden. So sind Sonnenblumen aufgrund ihrer Fähigkeit, den Kopf vor dem Aufblühen nach der Sonne auszurichten, ziemlich pfiffig. Kluge Pflanzen betreiben Pflanzenschutz mit wohldosierten Mitteln, statt plump die ganze Umwelt zu vergiften, wie es etwa der Mensch beim Anbau seiner Maisplantagen tut.

Eine der vielleicht intelligentesten Pflanzen, sagen Experten, könnte demgemäß die Tabakpflanze sein, die in ihren Wurzeln zur Abwehr von Fressfeinden das Alkaloid Nikotin bildet. Greift der Fressfeind an, kann sie es in die Blätter transportieren und den Angreifer unschädlich machen. Unfreundliche Käfer erkennt sie am Speichel und stellt binnen einer Stunde Nikotin in der Menge einer Zigarette her. Gierig frisst der Käfer den Stoff, wird gelähmt und stirbt.

Man darf schlussfolgern: Weil wir ja auch eine Art Fressfeind der Tabakpflanze sind, verarscht sie uns mit dem gleichen Trick, indem sie uns erst abhängig macht, damit wir sie anbauen – und dann undankbar tötet. Zumindest in diesem Punkt ist die Pflanze klüger als der intelligenteste Angehörige des Teams Fauna.

Foto: Arsen Togulev/unsplash