Was mit Schlüsseln

Schlüssel sind nützliche Werkzeuge.

Warum? Weil sie öffnen und schließen,
Zutritt verwehren und vor Einbruch schützen.

Was gibt es überhaupt für Schlüssel?

Kreuzbartschlüssel, Generalschlüssel, Dreikant­schlüssel, Durchsteckschlüssel, Schlagschlüssel,
Autoschlüssel, Sicherheitsschlüssel, Kellerschlüssel, Tresorschlüssel, Zylinderschlüssel…

Ihr könnt Schlüssel, die nicht mehr gebraucht werden, sammeln, fotografieren und zeichnen. Schlösser
und Schlüssellöcher in Eurer Umgebung sind auch
interessante Foto-Objekte.

    

 

Kriegsspiele

Keiner mag Kriegsspiele – außer Kindern und uns, als wir noch Kinder waren.

Wer Kriegsspiele ablehnt, hat natürlich Recht, weil Krieg doof ist, aber auch Unrecht, weil Kriegsspiele kein Krieg sind, sondern Spiele. Es ist ein Unterschied, ob man mit täuschend echten Waffen virtuell auf Avatare zielt oder sich sommers mit weichen Wasserbomben bewirft und das Schlacht nennt. Übrigens sind Schach, Dame oder Halma Kriegsspiele, und niemand bricht in Tränen aus, wenn beim Solitärhalma nur noch ein einziger Überlebender auf dem Holzbrett steht. Außerdem ist „Die gegen uns“ immer ein gutes Grundmotiv beim Spielen – egal, ob Indianer gegen Cowgirls oder Räuberinnen gegen Gendarmen kämpfen.

Gönn dir und den Deinen ab und zu eine eskalierende Schlacht, um den Frieden danach zu genießen.

 

 

 

 

 

Wie ich zum Ansatzstifter wurde

Als ich wieder einmal einen meiner Vorträge über Beobachtung und Dokumentation im halboffenen, montessoreggi-orientierten Funktionsraumkindergarten mit mittelgroßer Altersmischung hielt, klopfte es. Ehe ich „Herein!“ rufen konnte, hatte sich schon ein freundliches älteres Männlein neben meinen Dozententisch gestellt und sich vorgestellt: Er sei der Bildungsvizediktator von St. Hochniederkleinstein, dem oft so schmählich übersehenen europäischen Zwergstaat zwischen Großdänesien, Östermark und der Krokraine. Schon ein Weilchen habe er an der Tür gelauscht. Meine Ausführungen hätten ihm gut gefallen, und er habe darum entschieden, mich höflichst anzufragen, ihn in sein Vaterländchen zu begleiten, um an der Etablierung einer neuen Pädagogik mitzuwirken.

Gleichzeitig verstört und gebauchpinselt, überging ich die aufmunternden Zurufe der Teilnehmerinnen, die vielleicht nur auf einen verfrühten Schluss der Veranstaltung hofften.

Wie meine Stelle denn genau definiert sei, fragte ich, und der Vizebildungsdiktator lächelte gewinnend: „Sie allein legen unseren pädagogischen Ansatz fest. Sie sind unser Montessorius. Oder der große Ansetzer.“

Schon am nächsten Tag fand ich mich an einem St. Hochniederkleinsteiner Kindergartentisch wieder, umgeben von schüchtern speisenden Kindern und Erzieherinnen mit gezückten Notizblöcken. Was sage ich bloß, um mit irgendeinem Ansatz zu punkten?

„Jedes Kind hat das Recht, sich beim Frühstück sein Essen aussuchen zu dürfen“, fiel mir mit Blick auf die von Erwachsenenhand gefüllten Tellerchen ein. Die Damen erbleichten, notierten den Satz und unterstrichen ihn sorgfältig mit Linealen.

Zaghaft hob sich eine Hand, und eine Stimme fragte leise: „Welche Speisen stellen wir zur Auswahl?“ Ich erwiderte unsicher: „Vielleicht Biobutter, Johannisbeermarmelade, diese Teewurstsorte und Toggenburger Käse?“

„…ggenburger Käse, ist notiert“, repetierte die Dame und fragte: „Den Käse rezent, mittelreif oder würzig?“ Ich improvisierte: „Genau sechs Monate Reifung!“ Als die Damen sich über so viel Klarheit sichtlich freuten, ergänzte ich keck: „Und regelmäßig Schmelzkäse!“ „Täglich?“ Ich schüttelte den Kopf: „Kinder brauchen Wochenhöhepunkte! Schmelzkäse nur an Dienst- und Donnerstagen.“

Wie mir die Auswahl an Möbeln gefalle, wollte man später wissen. Diese Holzstühle gefielen mir gar nicht, erklärte ich streng – das erwartete man offenbar von mir. Stattdessen seien rote Hocker mit grünen Beinen vorzuhalten. „Gilt das für das ganze Land?“ fragte man vorsichtig, und ich nickte.

„Was ist Ihre Meinung zur Digitalität?“ ging es weiter. „Soll es Smartphones geben, Tablets oder beides?“ Leicht gelangweilt berichtete ich, dass mein Ansatz sich klar für die systematische Heranführung der Kinder an Tablets im 8,5 Zoll-Bereich ausspräche, wohingegen kleinere und größere Displays als absolute Kindeswohlverletzung eingestuft würden. Sofort begann man, aufgeregt im Hintergrund zu telefonieren.

„Ich sehe, Sie haben bereits gut in Ihre Rolle gefunden“, ertönte eine schon vertraute Stimme, und der Vizebildungsdiktator betrat schmunzelnd den Raum: „Weiter so!“

Ich sei, ließ ich die immer noch eifrig mitschreibenden Pädagoginnen wissen, sehr unzufrieden mit der uneinheitlichen Wandfarbgestaltung in den Kindergärten St. Hochniederkleinsteins. Ein Farb- und Gestaltungskonzept scheine es in diesem Lande ja nicht zu geben. Schwungvoll schlug ich vor, die Räume aller Kindergärten, die übrigens ab sofort Kinderparks zu nennen seien, umgehend folgendermaßen zu streichen: Schlafräume in Mauve, meiner heutigen Lieblingsfarbe. Den Bauraum in Zinnoberrot mit einem blauen Punkt in der rechten Ecke. Das Bodenturnkabinett jedoch in Nachtblau.

Man habe gar kein Bodenturnkabinett, nur eine Art Bewegungsraum, unterbrach eine Dame mich kleinlaut. Ich erhob mich: „Dann ist dieser landesweit einzurichten – sofort.“

Während die Kinder an meinem zweiten Tag in St. Hochniederkleinstein in den wenigen, von Anstreich- und Neumöblierungsmaßnahmen verschonten Räumen zu spielen versuchten, begab ich mich in mein neues Büro, um ein pädagogisches Grundlagenwerk mit Leitbildcharakter für das Land zu verfassen. „Kinder brauchen….“ stand bereits in meiner Word-Datei, aber dann stockte ich. Was, wenn der Vizebildungsdiktator gleich seine ersten Erlasse verkünden wollte?

Ich gab mir einen Ruck und tippte: „Kinder brauchen tägliches Harfentraining, das sie unabhängig vom Wetter in frischer Luft absolvieren. Kinder brauchen das Spiel mit einem hellhaarigen Bären, der nach dem Vorbild meines Teddys Petzi heißen soll und am Ende jedes Tages in ein ansprechendes Vollholzteddybett zu legen ist, während der sogenannten Teddybettungszeit. Kinder und deren Eltern sind anzuhalten…“

„Gefällt mir ausgesprochen gut“, freute sich der leise hinzugetretene Vizediktator und zeigte mir auf seinem Smartphone die Webcam-Übertragungen der ersten, noch unbeholfen wirkenden Teddyhuldigungen in den Kindergärten.

Bald war der größte Tag meiner Amtszeit als Ansatzstifter gekommen. Im schönsten Kindergarten von St. Hochniederkleinstein saß ich – zu Tränen gerührt und bekleidet mit Talar, Baskenmütze und Nickelbrille – inmitten der Kinder, die, durch meine Anwesenheit ebenfalls zu Tränen gerührt, das „Petzi-Lied“ sangen.

„Hat es euch gefallen, Erdenker des ewigen Ansatzes?“ fragte ein Mädchen. Eine ganz Kleine hielt mir ihr Brot unter die Nase, es roch käsig, und ich hörte das Kind sagen: „Danke für den zweifachen Schmelzkäsetag.“

Ein bisschen genervt von so viel Ehre schlug ich vor, eine Runde Fußball mit den Kindern zu spielen. „Eine gute Idee“, lobten die anwesenden Herrschaften, „aber leider sind seit der Verkündung Ihrer Materialliste keine Spielgeräte im Kugelformat zulässig. Sollen wir den Erlass ändern und den für die Umsetzung zuständigen Fachberater auspeitschen lassen? Oder sollen die Kinder mit einem der verpflichtend in jeder Kita zu züchtenden Kürbisse Fußball spielen?“

„Kinder brauchen keine als Fußball missbrauchten Kürbisse!“ schrie ich mit überschlagender Stimme. „Sie brauchen nichts dringender als pralle, überreife Melonen und ein aus Lakritzstangen gewebtes Fußballtor! Wer das nicht weiß, verdient nicht, nach meinen Ansatz zu arbeiten!“

Das gesamte Personal einschließlich des Vize-Bildungsdiktators zuckte zusammen, rannte erst verwirrt hin und her und dann schnurstracks zum nächsten Obstmarkt. Ich aber nutzte die Gunst der Stunde und entschwand aus St. Hochniederkleinstein.

. . . . . . . . . . . . . . . Auf Nimmerwiedersehen!

 

Foto: kallejipp/photocase.de

Superuschi macht Medien-Macht

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Gefährdung anzeigen?

Weil Personal fehlt, müssen Erzieher*innen immer mehr leisten – der Kita-Träger Fröbel hatte sich in Brandenburg 2018 selbst angezeigt, um darauf aufmerksam zu machen. Was können Erzieher*innen tun, wenn die Politik wissentlich bekannte Missstände ignoriert, die Erzieher*innen nicht mehr können und der Schutz von Kindern nicht mehr gewährleistet ist?

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Löcher stopfen

Nachdem das „Gute-Kita-Gesetz“ in Kraft getreten war, wurden Vertragsverhandlungen mit den Ländern über den Einsatz der Mittel geführt. Bremen unterzeichnete den Vertrag als erstes Land, verpflichtete sich, die Qualität und die Teilhabe in der Kindertagesbetreuung zu verbessern, und verfügt nun über 45 Millionen Euro. wamiki traf Christine Grotheer, Erzieherin und Mitglied im Personalrat des städtischen…

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Schluss mit lustig

Was tun, wenn Kinder streiten?

hier will ich nicht stehen…

1

Gefährliches Handeln unaufgeregt beenden

Ruhig zu den Kindern gehen, die gerade einen Konflikt haben; nicht aus der Ferne versuchen, die Situation unter Kontrolle zu bringen; gefährliches Tun, verletzende Worte beenden, ohne „Täter“ persönlich zu beschuldigen; sich zwischen die Kinder auf Augenhöhe platzieren.

2

Die Gefühle der Kinder verdolmetschen

Gefühle anerkennend verdolmetschen, d. h. verletzende Aussagen der Kinder umformulieren; Streitobjekte neutralisieren, d. h. Kinder darüber informieren, dass man Streitgegenstände an sich nehmen oder mit festhalten möchte; Mit dem eigentlichen Problemlösen erst beginnen, wenn die Kinder ihre Gefühle vollständig ausdrücken konnten und sich beruhigt haben.

3

Informationen sammeln

Den Kindern Fragen über ihren Konflikt stellen; den jeweiligen Sichtweisen aller beteiligten Kinder aufmerksam zuhören, um wichtige Details, die die Kinder in ihre Überlegungen miteinbeziehen sollten, gegebenenfalls wiederholen und neu-bzw. umformulieren zu können. Schlüsselstrategien: Neutral zuhören, vermeiden, sich auf eine Seite zu schlagen oder die Meinungen der Kinder zu beeinflussen.

4

Das Problem zusammenfassen

Wiederholen, was die Kinder gesagt haben; bei Bedarf verletzende Worte umformulieren; der Versuchung widerstehen, selber ein Urteil zu fällen oder eine schnelle Lösung zu präsentieren. Falls Kinder Statement korrigieren, reformulieren und damit versuchen, das Problem noch angemessener auf den Punkt zu bringen.

5

Gemeinsam eine Lösung suchen

Die am Streit beteiligten Kinder nach einer Lösung fragen. Falls nötig, nicht unmittelbar involvierte Kinder in der Nähe nach Vorschlägen fragen. Falls Kinder sich nicht auf eine Lösung einigen können, ihnen sagen, dass man selbst eine Idee hat und sie fragen, ob sie diese hören wollen. Wenn ja, den eigenen Vorschlag unterbreiten. Zur Not den Kindern sagen, dass man selbst über die Lösung entscheiden muss (nur als letzte Ausweg und sehr selten erforderlich).

6

Sich zur Unterstützung bereithalten

Die Ideen und Anstrengungen der Kinder durch einfache bestätigende Statements unterstützen. Noch kurze Zeit in der Nähe bleiben, um Kinder unterstützend zu begleiten oder helfen zu können, falls es Unklarheiten hinsichtlich der gefundenen Lösung gibt oder zu intervenieren, falls ungelöste Gefühle wieder aufflammen, notfalls Problemlösung mit einigen oder allen sechs Schritten wiederholen.

 

 

Foto: santjago/photocase.de

Was tun, wenn Kinder streiten?

Am besten erst mal gar nichts. Aber: hingucken und zuhören.

Erwachsene mischen sich viel zu schnell ein, wenn Kinder streiten. Mir passiert das auch.

Bei einer Fortbildung in Mediation bekam ich erhellende Tipps, nämlich: Nicht gleich fragen, wer böse war, wer Schuld hatte, sondern beide Streitparteien anhören und sich vergewissern, ob man sie richtig verstanden hat. Überraschend ist, dass das tatsächlich häufig schon reicht. Die Kinder erleben, dass sie wahrgenommen werden, können loswerden, was war, und wenden sich dem wieder zu, was sie vorher taten, oder machen was Anderes.

Außerdem ist es so: Werden Kinderstreitigkeiten von Erwachsenen unterbunden, brechen sie später oft wieder aus, weil die Konflikte nicht ausgesprochen oder geklärt sind, sondern weiter schmoren. Hinzu kommt: Streit gehört zum Leben. Kinder müssen lernen, wie man sich auseinandersetzen kann, ohne dass es Tränen oder blutige Nasen gibt.

Foto: Thomas K. | photocase.de

Beschwerden erleichtern

Für diskriminierungssensible Beschwerdeverfahren in der Kita Kinder beschweren sich auf vielfältige Weise – beispielsweise durch Schreien, Beißen, Bescheid sagen, Weggucken, Weggehen, Bauchschmerzen kriegen. Erwachsene entscheiden im alltäglichen Umgang, auf welche Beschwerde sie wie eingehen. Wie kann ein Beschwerdeverfahren dazu beitragen, diese Abhängigkeit der Kinder zu reduzieren? Wie können Verfahren gestaltet werden, damit sie für möglichst…

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Gewaltfrei kommunizieren

Wenn Du A tust, lieber Leser, dann fühle ich B. Weil ich nämlich das Bedürfnis nach C habe, mein Freund. Nur deshalb bitte ich Dich jetzt, D zu tun! Wie wär das für Dich? — Nicht verstanden? Weiter lesen…

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Piep, piep, piep, wir haben uns alle lieb

Sticheleien und Anregungen

Diesen Spruch – gibt’s den heute noch in Kitas und anderswo?

Ich weiß es nicht. Ich bin raus aus der Praxis und kann mich nur auf „früher“ beziehen. Manchmal auch auf das, was ich von Freundinnen höre oder im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sehe.

Mir kam das Ritual mit dem „Piep“ immer wie eine Beschwörungsformel vor: Harmonie, komm zu uns und bleib bei uns. Beschworen wird, was man sich wünscht, aber vermisst.

Ist es wünschenswert, dass sich alle lieb haben?

Mir reicht es, wenn ich die Menschen lieb habe, die mir nahestehen. Doch wer steht mir nahe? Und warum? Was bedeutet das eigentlich genau? Und: Geht es dabei nur um Blutsverwandte, um Familienmitglieder im engeren Sinne, um Mutter, Vater, Geschwister und Großeltern? Oder geht es auch um Freundinnen und Freunde, die ähnlich auf die Welt schauen wie ich und mit denen ich wunderbar lachen und streiten kann? Schließen sich streiten und lieb haben eigentlich aus?

Wie klappt lieb haben?

Liebhaben gelingt am besten, wenn es auf Gegenseitigkeit beruht. Darum klappt es in frei gewählten Beziehungen eher als in abhängigen. Zwangs-Liebhaben geht schief. Hat man keine Wahl, weil man beispielsweise noch ein Kind ist, kann Liebhaben fatal wirken: Die oft beschworene Bindung erweist sich als Fessel, die „Entbindung“ als Prozess des Erwachsen-Werdens erschwert.

Welche Bedeutung haben Feste und Rituale?

Wer Liebhaben vortäuschen muss, sollte üben, so zu tun, als ob. Besonders wichtig ist es dann, traditionelle Feste und Rituale einzuhalten. Merke: Niemals einen Geburtstag oder andere Liebhabefeste vergessen!

Weihnachten, das klassische Fest der Christenheit, wird ohne Gnade zelebriert. Alle Familienmitglieder haben sich tagelang furchtbar lieb und beschenken einander ohne Limit. Geschenke gelten als Liebesbeweise – egal, ob sie gefallen oder nicht. Man hat sich immerhin bemüht.

Die Liebe der Mutter geht durch den Magen: Ein knuspriger Gänsebraten ist kaum zu toppen. Und wenn’s gut läuft, beweist Vater seine Liebe, indem er den Baum besorgt und beim Schmücken schon mal die Schnäpse verkostet: „Ach, ist das gemütlich.“ Und: „Früher war mehr Lametta.“ Nur Dicki Hoppenstedt fällt aus der Rolle: „Zicke, zacke, Hühnerkacke!“ Ich liebe Loriots schräge Blicke auf Familie und Zwangsbeziehungen!

Die Wochen vor Weihnachten sind die umsatzstärksten im Jahr. Den Einzelhandel und die Versandhäuser freut’s. Doch für Eltern gibt es kaum eine stressigere Zeit. Und wofür das alles? Wenn schon nicht für den Weltfrieden, dann doch immerhin für den Familienfrieden. Was am Ende herauskommt, kann mittels Polizeistatistik besichtigt werden: Hauen und Stechen spätestens am zweiten Weihnachtsfeiertag, denn das „Piep“ in Dauerschleife macht selbst Engel verrückt.

Dennoch fahren erwachsene Kinder zu Weihnachten „nach Hause“. Die alt gewordenen Eltern könnten sonst traurig sein, und das will ja niemand. Haben die Kinder selbst Kinder, kehrt sich die Reiserichtung um: Nun kommen die Großeltern zu Besuch, was Stress ­potenziert, weil Oma und Opa aus Sparsamkeitsgründen auf dem Sofa nächtigen.

Zwar ist der Muttertag nicht ganz so emotional „besetzt“ wie Weihnachten, kann aber halbwegs mithalten. In Kitas bricht Wochen vorher wildes Bastelfieber aus. Schließlich erwarten die Mütter an ihrem Ehrentag einen Liebesbeweis in Form von Salzteigherzen oder bemalten Untersetzern. Etliche Exponate lagern bei mir noch heute in irgendeiner Kiste. So was schmeißt man doch nicht weg! Oder?

Langjährigen Erzieherinnen hängt der Bastelzwang ebenso zum Halse raus wie das Laternenfest. Eine Leiterin aus Bielefeld zählte ihre Restarbeitsjahre so: noch fünf Laternenfeste, noch vier, noch drei… Meine Erfahrung: Egal, wie gruselig man fand, was üblich war, die Devise hieß: durchhalten, bloß keinen Streit provozieren. Ich erinnere mich aber auch an kreative Lösungen. Ein Team in Dresden-Cossebaude schenkte den Müttern freie Zeit. Väter und Kinder wurden in die Kita eingeladen und machten was Abenteuerliches.

Eine schlaue Erfindung des Blumenhandels und der Süßwarenbranche: der Valentinstag. Immerhin reicht es, seiner Liebsten an diesem Tag eine Rose zu schenken, rot natürlich. Ich fände es schöner, wenn solche – und andere – Arten der Liebesbeweise keinen offiziellen Termin nötig hätten. Geld müssen sie auch nicht immer kosten.

Nun ja, es ist, wie es ist. Niemand kann sich dem Sog von Werbung und Tradition entziehen oder dem subtilen Druck familiärer Bindungen. Doch man könnte darüber streiten, was wichtig ist, für wen und warum. Vielleicht nicht unbedingt in der Familie, aber in der Kita. Das klärt die Luft, macht den Kopf frei und bringt auf Ideen.

Streitkultur?

Es gab eine Zeit, da war „Streitkultur“ ein Modethema im pädagogischen Arbeitsfeld. Es ging um den kultivierten Umgang der Erwachsenen mit ihren unterschied­lichen Sichtweisen. Man setzte sich zusammen, um sich auseinanderzusetzen und sich gemeinsam weiterzuent­wickeln. Das Ideal.

Ich habe etliche Seminare dazu veranstaltet, in Teams, mit Leiterinnen, Beraterinnen, Geschäftsführerinnen. Immer erlebte ich das Gleiche: Streit? Bloß nicht. Frauen sind lieb und glätten die Wogen. Darauf wurden sie seit Jahrhunderten abgerichtet: Streit vermeiden, Harmonie sichern und aushalten, was an Gewalt auf sie niederbrettert. Frauen sind keine Streithammel. Sie haben Angst vor Streit, vor allem in sozialen Arbeitsfeldern, obwohl es gerade dort viele Anlässe zum Streiten gibt. Siehe Pflege­notstand.

Wenn es um Qualität in der sozialen Arbeit geht, muss gestritten werden. Denn klar ist nichts, auch nicht nach Jahren und Jahrzehnten der Definitionsversuche. Obwohl…. Klar ist wohl inzwischen: Je nachdem, wer aus welcher Perspektive hinschaut, kommen unterschiedliche Ergebnisse heraus. Hilfreich ist folglich, zu erkennen, wer welche Interessen verfolgt und woran verdient. Beratung und Evaluation bringen mehr ein als die praktische Arbeit.

Piep, piep, piep…? Das bringt kaum voran. Streiten schon. Und es macht Spaß, wenn es nicht in Bösartigkeiten und Verletzungen abgleitet, sondern im Austausch von Argumenten oder Erfahrungen besteht. Was voraussetzt, das Gegenüber nicht als Feind zu sehen, sondern als einen Menschen mit anderem Blickwinkel.

Schön wär’s.

Hurra, hurra, der Widerstand ist da!

Wie wir inklusiv arbeiten können. Ich so – Du so. Gut so? Wahnsinn, wie verschieden Kinder, Familien, Kolleg*innen sein können. Wie wir mit der Vielfalt im Alltag umgehen, sie als Chance begreifen können, erzählte die Bildungsreferentin Anne Kuhnert in ihrem Vortrag in Syke.1 Hören wir zu.

 

Ich lade Sie ein zu einem kleinen Experiment:

Nehmen Sie sich ein Blatt Papier und malen Sie Ihren Lieblingshund. Los geht’s!

Fertig? Wie sieht Ihr Hund aus? Bitte ankreuzen:

 

Wer von Ihnen hat einen Hund gemalt,

… der von unten zu sehen ist?

… der von oben zu sehen ist?

… der von hinten zu sehen ist?

… der von vorne zu sehen ist?

… der von rechts zu sehen ist?

Und jetzt schauen wir, was vermutlich sehr, sehr viele von Ihnen gemalt haben.

Wer von Ihnen hat einen Hund gemalt, der von links zu sehen ist?

Oh, ha! Überraschung!

Fast alle haben den Hund von links gemalt.

Warum? Warum malen wir jetzt Hunde in wamiki?

Dieses kleine Experiment zeigt den Perspektivwechsel. Das Wort Perspektivwechsel hören wir täglich. Auch ich hörte es immer wieder als ich begann, Pädagogik zu studieren. Parallel arbeitete ich in der Kita. Abends saß ich mit meinen Kindern zu Hause und die Worte der Lehrenden klangen mir in den Ohren: Sie brauchen den Perspektivwechsel. Ja ok. Wir brauchen den Perspektivwechsel. Ich dachte: Gar kein Problem! Gar kein Problem? Bald stellte ich fest: Es gibt einzelne Perspektiven, auf die komme ich gar nicht allein. So sehr ich mich anstrenge. Ich brauche manchmal den Impuls von anderen Menschen, die mir andere Perspektiven aufzeigen.

Ha! Freuen wir uns! Wir arbeiten in Teams, wir sind viele Menschen, wir haben ein Schwarmwissen, wir bringen unterschiedliche Perspektiven mit. Weil wir unterschiedlich sind. Gottseidank! Und wir haben verschiedene Perspektiven auf Menschen: auf Kinder, auf Eltern, auf Familien…

Was unser kleines Malexperiment aber auch zeigt, ist: Scheinbar schauen wir unterschiedlich auf die Welt, auf Kinder, auf Familien. Und doch sind unsere Bilder sehr ähnlich. Denn wir haben gesellschaftliche Bilder im Kopf, die wir alle gelernt haben. Nicht nur bezogen auf die Bilder vom Hund, den die meisten unter uns von links malen.

Wenn wir wirklich durch eine inklusive Brille auf unsere Praxis schauen wollen, dann müssen wir uns anstrengen. Richtig anstrengen. Wir müssen überlegen, wie könnte zum Beispiel der Hund von unten aussehen? Wie könnte die Perspektive aussehen, die ich mir vielleicht im Moment gerade noch gar nicht vorstellen kann? Wie kann das gehen?

Den Hund von unten zu zeichnen, fand ich wahnsinnig anstrengend. Ich male sehr gern, aber ich habe sehr lange gebraucht, um etwas zu malen, das wenigstens halbwegs wie ein Hund von unten aussieht. Es ist schwierig, weil wir das nicht gewohnt sind. Wir haben nicht so viel Praxis darin, andere Perspektiven wahrzunehmen. Ich meine tatsächlich wahrzunehmen. Wirklich auf alle Situationen, auf alle Handlungen und auf alle Menschen inklusiv zu schauen, ist unglaublich anstrengend. Es gelingt uns an einigen Tagen gut. Und an anderen Tagen nicht so gut. Deshalb will ich Sie ermuntern, wenn es den einen Tag nicht so gut läuft, dann am nächsten Tag einfach noch mal von vorn zu beginnen, weiter zu probieren.

 

Worum geht es eigentlich, wenn wir von Vielfalt als Chance sprechen? Welche Vielfalt schauen wir uns an?

Ich mag diese Grafik, sie zeigt: Es geht umso viel mehr als vielen von uns im ersten Moment dazu einfallen mag.

Aber sehen Sie selbst!

Ach, Inklusion! „Noch eins mehr“, höre ich manchmal in den Teams, die ich als Fortbildnerin besuche… Nein, es geht nicht um „noch eins mehr“, sondern darum, auf alle Prozesse inklusiv zu schauen. Was heißt das konkret?

Mir ist wichtig, einen roten Faden zu entwickeln und zu überlegen, in welchen Arbeitsfeldern arbeite ich überhaupt, was sind eigentlich MEINE Handlungsfelder? Das war für mich als Pädagogin in der Praxis immer wesentlich, überhaupt zu wissen, wer ist eigentlich meine Klientel? In welchen Arbeitsfeldern bewege ich mich?

Es sind in der Praxis mindesten vier Arbeitsfelder:

Ich arbeite mit Kindern, mit Familien, mit meinen Kolleginnen (Das war auch nicht immer so einfach! Dazu später mehr.) und ich arbeite auch mit dem Raum.

Alle vier Handlungsfelder sind miteinander verwoben.

 

Im Fokus der inklusiven Praxis stehen vier Ziele:

1. Jedes Kind in seiner Ich-Identität und in seiner Bezugsgruppen-Identität stärken

2. Allen Erfahrungen mit Vielfalt ermöglichen

3. Kritisches Denken über Vorurteile, Ein­seitigkeiten und Diskriminierung anregen

4.Zum Widerstand gegen Vorurteile und ­Diskri­minierung ermutigen

Ich beziehe mich hier auf den Ansatz Vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung. (Zum Beispiel die Reihe Inklusion in der Kitapraxis, zu beziehen über wamiki.de – Die Red.)

Arbeit mit Kindern

Elementar wichtig in meiner Praxis war und ist es, Kinder in ihrer Identität und Bezugsgruppen-Identität zu stärken! Ich habe in Berlin-Neukölln als Erzieherin gearbeitet. Berlin-Neukölln, das ist ein Teil von Berlin, der weit über die Stadt hinaus mediale Resonanz erzeugt: Dort brennen nicht jeden Tag die Mülltonnen wie das manchmal in den Medien behauptet wird. Aber es gehörte zu meinem Alltag dazu, dass ich morgens den Sandkasten frei räumte, vom Spritzbesteck zum Beispiel.

Mir war klar, bei uns in Nord-Neukölln, habe ich mit Familien zu tun, die oft von Armut betroffen sind. Unsere Familien in der Kita sprachen sehr verschiedene Sprachen, besaßen unterschiedliche Pässe, verfügten über unterschiedliche Qualifikationen, lebten in unterschiedlichen Familienformen, hatten unterschiedliche Religionen.

Und so fand ich mich in einer bunt zusammengewürfelten Gruppe wieder: 18 Kinder im Alter zwischen zwei und sechs Jahren. Meine Kollegin war oft krank, so war ich viel allein mit den Kindern und ihren 18 verschiedenen Familiensprachen. Die habe ich nie alle gesprochen, obwohl: Ich habe mein Bestes gegeben. Wirklich. Weil südkoreanisch, habe ich gedacht, wird schwierig. Und es wurde schwierig. Also habe ich überlegt: Wie kann ich trotzdem Kinder in ihrer Identität stärken und ihnen nicht den Stempel „Kinder aus Nord-Neukölln“ aufdrücken? Eine Möglichkeit, Kinder zu respektieren und zwar so wie sie sind, ist, das wertzuschätzen, was sie selbst erfinden, produzieren, bauen, gestalten. Und das kann unglaublich viel sein und werden. Regelmäßig hatten wir das Problem, dass zum Beispiel das Gebaute auch wieder abgebaut werden musste.

Und wir hatten auch Familien, die die Erfindungen der Kinder nicht unbedingt wert zu schätzen wussten. Ich sage das jetzt, ohne dass ich Familien stigmatisieren möchte.

Ich selbst bin mit meinen vier Kindern auch „Eltern“ und habe nicht die Möglichkeit, alles Produzierte gleichermaßen zu würdigen. Sie können sich nicht vorstellen, was in etlichen Jahren durch Weihnachten, Geburtstage usw. zusammenkommt, so viele Fensterregale kann ich gar nicht haben, um all das Produzierte von meinen vier Kindern aufzuheben.

Wie lösten wir nun das Problem in der Kita?

Wir bauten ein flaches Regal im Eingangsbereich auf und befestigten eine Digitalkamera mit einer Kette an der Wand. Die Kinder hatten ihre Erfindungen dort auf diesem Bord ausgestellt, versehen mit ihrem Namen beziehungsweise mit einem Bild von sich selbst (für die Kinder, die mit Schriftsprache noch nicht so gut umgehen konnten). Die Kinder haben ihre Erfindungen dort präsentiert, das Gebaute selbst fotografiert bzw. sich von ihrem besten Freund, der besten Freundin damit fotografieren lassen.

Regel war: Das Gebaute darf einen Tag stehen bleiben. Dann wird es abgebaut, und das Material ist wieder für alle zugänglich. Am Ende der Woche haben die Kolleginnen die Bilder auf der Digitalkamera ausgedruckt und die Kinder haben ihre Bilder in ihren Portfolios abgeheftet. Stolz wie Bolle. Das Produzierte war nun für alle Ewigkeit festgehalten. Diese Portfolios gehören den Kindern, sie sind ihre „Bildungsbiografie“, die sie mitnehmen, wenn sie die Kita verlassen. Und sie bleibt bei den Kindern, wenn sie älter werden. Noch heute, zehn, elf Jahre später, treffe ich meine Ex-Kinder, inzwischen Jugendliche, in Nord-Neukölln, die mir voller Freude erzählen, sie haben ihr Portfolio immer noch. Und das alleine ist schon eine unglaublich gute Möglichkeit, Kinder in ihren Identitäten zu stärken und sichtbar zu machen.

Eng verwoben mit der Identitätsentwicklung sind Vorbilder – oft über gesellschaftliche Stereotype geprägt. Diese Prägungen sind manchmal so stark, dass sich Familien als auch pädagogische Fachkräfte immer nur partiell dagegen wehren können.

Ein Beispiel: Der Fasching stand vor der Tür. Alle Jahre wieder: Mädchen möchten Prinzessin sein und Jungen Piraten. Ich gebe zu, ich bin genervt von den Klischees und stänkere gern ein bisschen. „Seid ihr sicher? fragte ich die Kinder. Und: „Ich hätte da noch eine Idee!“

Manchmal reagieren die Kinder genervt, meist aber nicht. „Kennt ihr eigentlich auch Piratinnen?“ Niemand kannte Piratinnen und wir gingen auf Spurensuche. Die berühmtesten Piratinnen der Geschichte waren wohl Anne Bonny und Mary Read, die vor dreihundert Jahren in der Karibik kämpften. Man kann sich jetzt fragen, wie viel Zeit wir mit den besonders blutrünstigen Geschichten der beiden verbrachten… Spannend war aber zu verfolgen, wie die Kinder ihre Rollenbilder veränderten. Die Piratin bekam eine Krone und hatte ihre Waffen unter den Dielen versteckt…

Ok. Ich kann Prinzessin und Piratin sein… Wenn Kinder sagen: „Mädchen können nicht Müllfahrerin werden, weil da nur Männer sind!“, dann sind sie nicht dumm. Es entspricht oft dem, was sie tatsächlich wahrnehmen. In Berlin habe ich zum Beispiel noch keine einzige Frau in den Autos der Müllabfuhr entdeckt. Und ich gucke wirklich gezielt in die Autos der Müllabfuhr, weil ich die unglaublich spannend finde. Einmal war ich in Barcelona im Urlaub und sah ausschließlich Frauen in einem Müllauto. Ich bin voller Begeisterung auf die Straße gesprungen (kein Witz!), habe das Auto angehalten und gefragt, ob ich ein Foto machen darf. Und habe ein Foto von dieser Müllabfuhr gemacht, weil ich es nicht fassen konnte. Also für mich selbst. Nicht nur für die Kinder, auch für mich selbst, weil ich dachte „Müllfahrerin, wie spannend!“. Und damit Kinder zu konfrontieren, auch das ist Aufgabe in diesem Feld des inklusiven Arbeitens.

Ein anderer wesentlicher Teil inklusiver Praxis ist, dass Informationen für alle verständlich sind. Wirklich für alle!

Ich arbeite gerade mit vielen Teams zusammen, die auch geflüchtete Kinder betreuen.

Vielen Kindern und ihren Familien sind Kitas fremd. Sie vermuten gar nicht, wie viele subtile Abläufe es in Kitas und Schulen gibt. Das Händewaschen im Waschraum für sehr junge Kinder zum Beispiel. Wie geht das? Ein Team hat es mit den Kindern fotografiert: Erst die Ärmel hoch, dann das Wasser andrehen, die Hände nass machen, die Seife nehmen, abwaschen, abtrocknen und gucken, ob das Licht aus ist… Das ist für alle hilfreich. Jeder kann nachschauen, ist es verständlich, sich überprüfen. Ich kann nur teilhaben, wenn ich informiert bin, wenn ich weiß, worum es überhaupt geht.

Ein anderer Klassiker: Sand in der Garderobe. Das Thema zieht sich durch Kita, Schule und Haushalt. Jeder Mensch, der mit Kindern lebt, kennt Sand im Haus. Auch ich mit meinen nun älteren Kindern habe ständig Sand in der Wohnung. Ich hasse Sand unter meinen Füßen. Außer am Strand. Ich bitte dann meine Kinder: „Ach bitte, seid so nett, macht doch diesen Sand weg.“ Ein Kita-Team mit viel Sand im Haus hat mit den Kindern die Abläufe fotografiert, wie der Sand wieder verschwindet. Das war für alle Kinder gut, nicht nur für die schwerhörigen. Auch die Erwachsenen profitieren, je mehr Bilder sie verwenden. „Ach, schau doch noch einfach mal drauf.“ Statt vieler Worte genügt ein Impuls zur Selbstkontrolle. Wir vereinfachen Abläufe nicht nur für Kinder, auch für uns. Das ist inklusives Arbeiten: Wir überlegen, wie kann es gelingen – für alle Kinder, für die Familien und die Fachkräfte?

Informationen für alle, mit den Kindern entwickelt, berühren zwei Handlungsfelder: die Interaktion mit Kindern und die Gestaltung der Räume.

Zur Raumgestaltung gehört auch das Spielmaterial. Als Pädagogin, die sich mit Inklusion auseinandersetzt, gehe ich oft durch die Spielwarenabteilung. Ich sehe Überraschungseier in Rosa oder Germany’s Next Topmodel im Kleinformat und denke: „Oh mein Gott!“.

Und gleichzeitig – und das finde ich interessant – haben Teile der Spielzeugindustrie inzwischen begriffen, dass Diversität auch ein Markt sein kann. Der ist noch lange nicht so umfassend wie der Mainstream-Markt, geteilt in Rosa und Blau. Ich war fasziniert, als Lego eine Sonder­edition zu den Frauen in der NASA herausgebracht hat. Die Botschaft: Frauen und Männer machen es möglich, dass die space shuttles in das All fliegen. Interessant wäre auch, mal zu zeigen, welche tollen Männer in vermeintlichen Frauenberufen arbeiten, da zieht die Spielzeugindustrie langsam nach.

Arbeit mit Familien

Ein anderes pädagogisches Handlungsfeld ist das Arbeiten mit Familien. „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ – das ist meine Erfahrung, insbesondere dann, wenn es sprachliche Hürden gibt und für die Familien das Kita-System neu ist. Wie kann ich Familien mit unterschiedlichen Sprachen und Kulturen darüber informieren, was an diesem großartigen Ort Kita überhaupt passiert? Ich habe mit Stefani Boldaz-Hahn ein Bildbuch ohne Worte mit vielen Zeichnungen von alltäglichen Situationen in der Kita entwickelt. Darin finden Sie typische Situationen und Abläufe aus dem Kita-Alltag gezeichnet: Wie kann ich mein Kind in der Kita anmelden? Was passiert in der Eingewöhnung? Wie sieht ein normaler Tagesablauf in der Kita aus? Was muss ich beachten, wenn mein Kind krank ist? Mithilfe der Bilder können Erzieher*innen die Abläufe und Regeln in der Kita erklären. Bilder mit Gegenständen wie Wechselwäsche oder Brotdosen zeigen, was die Kinder für die Kita mitbringen sollten. Ein Kalender und eine Uhr zum Ausklappen helfen, Organisatorisches zu klären: „Wir starten um 10.00 Uhr und sind um 14.00 Uhr wieder zurück.“ usw. Das Buch eignet sich nicht nur zum Erklären, sondern lädt auch ein, miteinander ins Gespräch zu kommen. Nicht nur pädagogische Fachkräfte können das Buch nutzen, auch Mitarbeiter*innen in Ämtern, die über Kindertagesbetreuung informieren, können von dem Buch profitieren. (Interessierte Fachkräfte können das „Bildbuch: Kita-Alltag“ mit einer E-Mail an publikationen@bundesregierung.de  bestellen. Die Red.) Für den Informationsaustausch mit Familien brauchen wir mehr als eindimensionale Zettel-Wege. Ich als Mutter bin immer wieder fasziniert von der Fülle der A4-Zettel, die meine vier Kinder aus der Schule nach Hause bringen: Elternabend, Ausflug, Schließtag… Wissen Sie, wie viele dieser Zettel ich wirklich intellektuell kognitiv noch erfassen kann? Ich würde sagen – gefühlt zehn. Ich habe versucht, diese Zettel an eine Wand zu hängen. Ich mache mir mit meinem Smartphone unendlich viele Fotos. Ich versuche in meinem Gehirn mir diese vielen Infos auf den Zetteln zu merken. Aber ich schaffe es einfach nicht. Genau genommen fühle ich mich überfordert. Vollkommen. Für mich reicht die Info: Elternabend, Thema, Uhrzeit. Wer geht? Ok, ich komme. Wenn da noch steht, bring etwas mit, ok, dann kaufe ich noch schnell eine Packung Kekse. Fürs Kuchenbacken fehlt mir leider die Zeit. Und ich freue mich über jede Erzieherin meiner Kinder, die mir ins Gedächtnis ruft: „Anne, morgen ist Elternabend. Kommst du?“ Verdammte Axt! Ich hatte es vergessen.

Wie kriegen wir das hin? Inklusives Denken berücksichtigt die Verschiedenheit von Eltern. Achtung: Wir sind wieder beim „Hund“. Es gibt vielleicht die Eltern, die all diese Zettel lesen; Eltern, die sich all das merken (der „Hund von links“) und es gibt auch andere Eltern wie mich (vielleicht der „Hund von unten“…). Also Eltern, die versuchen, alles bestmöglich hinzukriegen und es trotzdem manchmal vergessen, die dann noch mal kurz eine Erinnerung von einer respektvollen Erzieherin brauchen und die sich wie ich über einen kleinen Trost freuen: „Anne, du bist nicht die Einzige, die es vergisst.“ Gottseidank!

Arbeit im Team

Ein anderes pädagogisches Handlungsfeld ist das Zusammenarbeiten im Team und spätestens hier brennt die Luft in manchen Teams. Wir stellen fest, dass die Auseinandersetzung mit Inklusion und Verschiedenheit sich nicht nur auf „die Eltern“ und „die Kinder“ beschränkt. Wir müssen auch auf die Ressourcen schauen, die wir als Team haben. Ich erzähle Ihnen eine kleine Geschichte von meiner Kollegin Monika und mir. Meine Kollegin Monika war so eine Art Urgestein in meiner Kita, das Team dort arbeitete mehr oder weniger seit 35 Jahren zusammen. Dann kam ich, Anfang 20, hochmotiviert und voller Idealismus. Keine Arbeit schien mir zu schwer, ich schaffe es! Und ich bekam den Kellerraum. Ich sollte eine neue Gruppe übernehmen und bewegte mich nun zwischen Heizungsrohren und kleinen schmalen Fenstern in Deckennähe. Und alle Kinder, die in besonderer Art und Weise anstrengend schienen oder die die Kollegen überfordert hatten, landeten auf wundersame Weise in meiner Gruppe im Keller. Monika, meine Kollegin, war eine Koryphäe, wenn es um das Besorgen und Präsentieren von Materialien ging. Die hatte ein prächtiges Regal, da waren wahre Schätze in fabelhafter Ordnung sortiert: Papiere nach Farbe, Stärke, Größe; Pfeifenreiniger nach Farben, Glitzer, Pailletten; Einhorn mit Glitzer, Einhorn ohne Glitzer; Kreiden, Stifte und viele andere mehr.

Meine Leitung Sissi, eine Frau mit echter Berliner Schnauze, hat damals zu uns gesagt: „Monika und Anne, ihr seid doch echt bescheuert! Ja genau, ihr beide! Monika hat eine tolle Kompetenz. Anne hat eine tolle Kompetenz. Warum seht ihr das nicht im Zusammenspiel?“ Sissi hatte recht. Denn Monika war großartig im Beschaffen dieser Materialien, die hat über diesem Geschäft gewohnt, wo man das alles bekam. Irgendwann muss sich der Inhaber in Monika verliebt haben. Also: Wenn am Freitag um 16.00 Uhr der braune Pfeifenreiniger weg war, dann war Montag früh um 7.00 Uhr der wieder da. Irre.

Monika wusste nur nicht, mit dem Material umzugehen. Ich aber! Ich habe mit den Kindern Ausstellungen produziert, Vernissagen veranstaltet.

Eigentlich ergänzten wir uns großartig. Das haben wir beide damals nur nicht so gesehen. Bei Monika und mir hat es über ein Jahr gedauert, bis wir das wirklich hingekriegt haben. Inklusives Arbeiten braucht auch unser aktives Auseinandersetzen mit Diversität im Team. Wir dürfen als Erwachsene Kindern keine Doppelmoral vorleben, sondern zeigen, wie wir selbst mit Unterschieden im Team zurechtkommen. Respekt und Achtung nur als Lippenbekenntnisse von Erwachsenen – das durchschauen Kinder meist sehr schnell.

„Buffet mit Inklusionskonfetti“

Dieses Auseinandersetzen kann auch mit vielen kleinen Impulsen gelingen. Ich nenne das „Inklusionskonfetti“. Sie kennen das sicher, nach gefühlten sieben Jahren Kindergeburtstag finden wir in den Ritzen der Dielen immer noch den Einhorn-Konfetti, dabei hatten wir den doch entsorgt. Denkste! So ist es auch mit dem „Inklusionskonfetti“. Eine Kollegin hatte mir geschrieben: „ Anne, vor vier Jahren hatten wir eine Teamfortbildung. Ich war dagegen, was du damals gesagt hattest! Du weißt noch? Und jetzt kriege ich es nicht mehr aus dem Kopf.“ Ha! So funktioniert „Inklusionskonfetti“. Wir kriegen es nicht mehr weg.

Für inklusives Arbeiten gibt es viele, viele Möglichkeiten.

Illustrationen: Labor Ateliergemeinschaft: ICH SO DU SO. Beltz Verlag.

Weitere Beispiele stelle ich Ihnen kurz vor. Vielleicht werden Sie sagen: „Ahhhh! Das machen wir schon so.“ Ok, dann nehmen Sie das als Zuspruch. Vielleicht werden Sie aber auch bei Anderem, was Sie vielleicht noch nicht kennen, denken: „Na, das weiß ich aber nicht, ob ich das mag.“ Was ich Ihnen vorstelle, ist ein bisschen wie ein Buffet im Hotel. Es schmeckt einem nicht alles, was man dort vorfindet. Aber das muss es auch nicht. Sie haben die Auswahl. Und vielleicht ist auch einiges dabei, bei dem Sie sagen, das ist für mich wie „der Hund von unten“.

Nun zu den Beispielen. Die vier pädagogischen Ziele sind mein roter Faden:

Wichtig ist, die Identität jedes Kindes zu stärken und allen Erfahrungen mit Vielfalt zu ermöglichen. Um dann Kinder anzuregen, auch kritisch über Ungerechtigkeit und Diskriminierung zu denken und sie zum Widerstand gegen Vorurteile und Diskriminierung zu ermutigen.

Kennen Sie die Spiele mit dem eigenen Bild und Diversität?

Zum Beispiel am Eingang: Bin ich heute da oder nicht? Die Kinder haben sich von vorn und von hinten fotografiert. Wenn sie in die Kita kommen, drehen sie ihr Bild um. Zu sehen ist das Kind von vorn. Wenn das Kind die Kita verlässt, dreht es sein Bild wieder um. Zu sehen ist das Kind von hinten. (Achtung: Dieses Eingangsspiel für die Kinder ersetzt natürlich nicht die Anwesenheitsliste.)

Manchmal gibt es Familien, die aus unterschiedlichen Gründen es nicht schaffen, Fotos der Kinder mitzubringen oder es nicht erlauben. Auch kein Problem. Dann malen sich die Kinder von vorn und von hinten. Jedes Kind ist dabei! Denn genau darum geht: JEDES Kind ist sichtbar und kann sich in seiner Identität wiederfinden. Es hilft weder dem Kind noch uns, Eltern absichtlich oder unabsichtlich abzuwerten.

Wohl mit keinem Material dieser Welt spielen Kinder so gerne wie mit Materialien von ihnen selbst. Und Material wie dieses ist einfach herzustellen.

Die Kinder in meiner Kita haben mich gefragt, warum ich überall Bilder von ihnen aufhänge. „Was denkt ihr denn?“ habe ich zurück gefragt. „Weil du uns so magst.“ „Genau! Ich mag euch alle ganz doll.“, war meine Antwort. Aber das war nicht der eigentliche Punkt: Es geht mir darum, den Kindern das Gefühl zu geben, dass ich auf jedes von ihnen gleichermaßen schaue. Denn das trägt zum Wohlbefinden bei und dazu, dass die Kinder Lust haben, mitzumachen, bereit sind, sich mit Vielfalt auseinander zu setzen und auszuhalten, dass sie verschieden sind.

Wie reagieren Sie zum Beispiel, wenn ein vierjähriges Kind zu einem anderen Kind sagt: „Deine Haut sieht aus wie Kacke.“

Ich schlage vor: Erst mal bitte tief Luftholen und überlegen: Kacke ist ein elementares Thema für Kinder zwischen zwei und vier Jahren. Ich kenne Erwachsene, die einen regelrechten Tanz um das Töpfchen aufführen, wenn das Kind auf selbigem sitzt. Es gibt viele wunderbare Bücher zum Thema Kacke und Kackfabriken. Wenn Kinder Unterschiede bemerken, dann vergleichen sie die mit für sie permanent wichtigen Dingen. Also auch mit Kacke. Das Kind braucht also eine Kompetenz, über Verschiedenheit zu sprechen, ohne dem anderen weh zu tun. Sprich Wörter, die es ihm ermöglichen Vielfalt zu benennen. Und mit einem empörten Aufschrei: „Das sagt man nicht!“ kann das Kind vermutlich wenig anfangen. Das sagt man nicht? Da frage ich mich immer: Wer ist eigentlich „man“? Wo wohnt „man“? Wie sieht „man“ aus? Warum sagt „man“ das nicht?

Ich habe damals zu dem Kind gesagt: „Weißt du, es kann sein, dass es Y. wehtut. Weil das Wort etwas ist, was sich für Y. nicht besonders gut anfühlt. Lass uns doch mal ein anderes Wort finden: Was kann denn noch so braun sein wie die Hautfarbe von Y.? Und welche Hautfarbe hast du? Lass uns mal schauen, welche Farben können wir für deine Hautfarbe nehmen? Und wir sind mittendrin in der Auseinandersetzung mit Vielfalt und – zack die Bohne – auch beim kritischen Denken.

Ein weiteres Beispiel: Kennen Sie die Tradition der Postkartenzüge? Ich meine die mit Urlaubspostkarten nachgebauten Eisenbahnzüge an der Wand. In meiner Kita war es so, dass ein Viertel aller Kinder mit ihren Familien im Urlaub nach Argentinien, Japan, Thailand und weiß nicht wohin geflogen sind. Der „Rest“ – die anderen drei Viertel – hatten keine Möglichkeit, eine Postkarte aus dem Urlaubsland zu schicken. Weil: Es gab keinen Urlaub. Ich habe irgendwann diese Postkarten von der Wand genommen, weil sie drei Viertel der Kinder stetig daran erinnerten: Ich kann nicht teilhaben. Ein Viertel der Kinder hat weiter Postkarten geschickt, ich habe sie vorgelesen, in das Portfolio einsortiert und meinen Kindern vorgeschlagen: „Lasst uns doch mal selbst Postkarten gestalten und verschicken.“ Wir haben die Karten mit Marke vorbereitet, die Kinder haben sie mit den Eltern zu Hause auf ihre Weise geschrieben und in den Briefkasten eingeworfen. Alle Postkarten trudelten irgendwann in der Kita ein, alle sahen unterschiedlich aus und jedes Kind hatte eine. Das ist für mich ein Grundprinzip inklusiven Arbeitens, dass die Kinder Gemeinsamkeiten und Unterschiede entdecken. Wenn ich die Kinder darin begleite, kritisch zu denken, sind sie auch kritisch zu mir. Das ist für uns Erwachsene schwer auszuhalten, weil wir es nicht gewöhnt sind, dass nun schon junge Kinder beginnen, uns zu kritisieren. Dazu gehört auch, sich zu üben, wie Widerstehen und sich Positionieren aussehen können.

Illustrationen: Labor Ateliergemeinschaft: ICH SO DU SO.
Beltz Verlag.

Wenn wir eine inklusive Gesellschaft wollen, müssen wir exklusive Mechanismen kritisch wahrnehmen. Es braucht einen Minimalkonsens. Ich finde es unglaublich schwierig als Fortbildnerin in Teams zu arbeiten, in denen die Kolleginnen mit verschränkten Armen vor mir sitzen und sagen: „Hallo, wir sitzen nur hier, weil der Träger das so will!“ Es ist ungleich einfacher, wenn ich verstanden habe, dass es inklusives Arbeiten braucht, um die Gesellschaft voranzubringen. Wenn ich Verschiedenheit sensibler wahrnehme, brauche ich Netzwerke. Support Clubs. Gruppen, die es mir ermöglichen, mich auszutauschen und immer wieder zu erfahren, dass andere ähnlich denken, ähnlich arbeiten. Ich versuche mich selber kritisch zu reflektieren, meine Kita zu analysieren, auf einer konkreten Handlungsebene… Das ist eine Never Ending Story. Das macht das Leben aber auch so schön, dass wir entdecken, wir werden nie fertig. Manchmal fragen die Kolleginnen mit den verschränkten Armen: „Wann sind wir denn nun mit Inklusion fertig?“ Dann sage ich: „Hoffentlich nie!“ Das würde ja bedeuten, eine Idee zu haben, wie viele verschiedene Verschiedenheiten es gibt. Und aus die Maus. Vielfalt heißt aber viel mehr ­anzuerkennen, dass Menschen so unterschiedlich sein können, wie ich es mir vielleicht gar nicht vorstellen kann. Und dass ich immer wieder auf Menschen treffen werde, die noch mal anders denken und noch mal etwas anderes mitbringen als ich selbst. Sie werden dann Kolleginnen erleben, die sagen: „Ich bin im Widerstand!“ Und ich sage immer: „Hurra, hurra, der Widerstand ist da!“ Besser kann es gar nicht sein, als dass wir auch auf Menschen treffen, die nicht unserer Meinung sind. Das wäre ja soooo lang­weilig, wenn wir alle einer Meinung wären. Wir können um Positionen ringen und schauen, wie wir sie zusammenführen. Wir vergessen dabei unsere Netzwerke nicht, wir sind geduldig miteinander, jede und jeder von uns hat unterschiedliche Arbeitstechniken und das ist auch gut so. Wir gehen fehlerfreundlich miteinander um. Niemand von uns hat gelernt, inklusiv zu arbeiten. Wir erarbeiten uns alle eine inklusive Praxis, und dabei machen wir Fehler. Das ist nicht schlimm. Das sage ich den Kindern auch, das ist wie Fahrradfahren lernen. Hinfallen, aufstehen, und noch mal von vorne beginnen. So lange, bis wir das Gefühl haben, jetzt läuft es gut. Und dann kommt wieder ein Kind, bei dem es nicht funktioniert, dann müssen wir uns etwas Neues überlegen.

Das sind die Mac-Gyver-Strategien, die wir brauchen. Mit fast Nichts, aber viel Empathie, Herzblut, kritischem Denken, Erfindungsreichtum und Standvermögen sprengen wir die Grenzen. Das kriegen wir hin, das ist das Arbeiten von Pädagog*innen, deswegen mag ich meine Arbeit so. Alles andere wäre auch zu einfach.

1. Anne Kuhnert am 26. Januar 2019 auf der 11. Pädagogischen Fachtagung: „Zusammen sind wir bunt“ in Syke/Schleswig-Holstein.