Redest du noch oder schwätzt du schon?

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Gibt´s in diesem Heft einen Wortklauber zum Thema Sprache? Selbstredend, sagt der Autor, lächelt vielsagend und hämmert auf die Tasten ein, denen seine Worte entspringen. Denn: Was ist schöner, als wortreich über Wörter zu reden, zu referieren, zu parlieren und zu kommunizieren, zu salbadern und nach Herzenslust zu fabulieren, zu plaudern, zu labern, zu babbeln und zu schwätzen? Obwohl die vielen Wörter eigentlich nur eins bezeichnen, nämlich das Formen von Lauten in der Stimmritze höherer Lebewesen, steckt doch jeweils eine hintergründige Bedeutung darin. Je nachdem, was ich sage, halte ich Reden oder erzähle Märchen.

Das mit dem Sprechen ist wie das mit Sex, Essen, Schlafen und anderen Primärfunktionen des Menschen: Alle tun es. Gerade deswegen reizt es uns, anderen Leuten zu unterstellen, sie täten auf unedle oder sinnlose Art, was wir so weise wie entschlossen verrichten. Ein Blick in alte Wörterbücher – etwa das Standardwerk der Gebrüder Grimm aus der Mitte des 19. Jahrhunderts – zeigt, dass unnützes Reden vor allem Frauen angelastet wurde: Geborene „Plaudertaschen“ und „Schwatztanten“ vergeudeten wertvolle Zeit für Klatsch, Ratsch und Tratsch. Schüler „schwatzen“ und „schwätzen“, statt sich mit klugen Gedanken in den Unterricht einzubringen. Was tut der Mann im Grimm-Buch? Er schweigt, weil das im Gegensatz zum zweitplatzierten Reden Gold ist. Selbst Herr von Goethe, durchaus ein beredsamer Mann, forderte eines Tages ungeduldig: „Der Worte sind genug gewechselt…“

Natürlich, es gibt auch Männer, die in den vergangenen Zeiten „schwatzten“: Demokraten, die im Parlament lange redeten, statt Entscheidungen zu treffen. „Wenn man das Volk gewähren ließe“, behauptete Kaiser Wilhelm, „so würde es die Schwatzbude im Reichstag schließen.“ Wie das Volk diese Maßnahme hätte treffen können, ohne sich – wenigstens kurz – darüber abzusprechen, ließ er offen.

Dem ohnehin als maulfaul geltenden Norddeutschen ist es vermutlich zuzuschreiben, dass das Wort „schwätzen“ als Verunglimpfung gilt. Badener, Württemberger, Pfälzerinnen, Moselfranken und Saarländerinnen benutzen es bekanntlich ganz neutral für sprechen. Und im Luxemburgischen heißt es sogar hochsprachlich „Ech schwätze Letzebuergisch“, wenn sprechen gemeint ist. Aber was sagt man in diesen Gegenden zum „wertlosen“ schwätzen? Babbeln, was die Hessen wiederum ganz wertfrei für das Sprechen verwenden. Radikaler als diese Schwatz-Verschiebung ist wohl nur die Bezeichnung slawischer Völker für Deutsche. Während wir die „Niemecki“ sind, also die „Nicht-Sprecher“, entstammt die Selbstbezeichnung der Slawen dem „Slowa“, das „Wort“ bedeutet. Ob das im Sinne von „Schweigen ist Gold“ gemeint ist?

Egal. Denn längst hat sich der Wind gedreht. In unserer Zeit wird mehr geredet als gehandelt – vielleicht, weil mit den Händen immer weniger zu tun ist. Demzufolge hat ein Wort sich in die vorderste Liga durchgewurstelt, das früher etwas ganz anderes meinte: die Kommunikation. Kommunizieren heißt verbinden. Wurde wer aus einem Verband – zum Beispiel dem guter Katholiken – ausgeschlossen, weil er gegen ein Schweigegelübde verstieß, war er exkommuniziert.

Heute kommunizieren wir, was das Zeug hält, und glauben, dass alltägliche Dinge wertvoller oder moderner werden, wenn wir sie mit abstrahierenden Fachwörtern oder Anglizismen versehen. Deswegen sagen wir „kommunizieren“, wenn wir uns „Feedback“ geben. Schreiben wir jemandem eine Nachricht, ist das ein „Posting“. Oder der Versuch, unserem Geschreibsel eine Bedeutung zu verleihen, die es gar nicht verdient?

Ist es sinnvoll, über den Sinn von Reden, Schwätzen und Schweigen nachzudenken? Die gute alte Bibel beantwortet nicht nur in Bezug auf die Entstehung der Sprache die Frage nach Huhn oder Ei überraschend deutlich: „Am Anfang war das Wort.“ Sie stellt auch klar: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: Schweigen hat seine Zeit, Reden hat seine Zeit…“

Da nickt der Mafiaboss maliziös: „Sehe ich auch so, Signore. Meine Klienten muss ich erst zum Reden bringen. Und dann zum Schweigen.“

Foto: Uli Malende

Kathedralen der Zukunft!

In Hamburg soll jede dritte evangelische Kirche in den kommenden zehn Jahren geschlossen werden. Die Leute bleiben weg. Und auch die Euros aus der Kirchensteuer. Sinkende Einnahmen wegen sinkender Nachfrage. Also, sagte jetzt die Synode:  Kapazitätsabbau. So platt würde keine Geschäftsleitung von Supermärkten und Drogeriemärkten reagieren. Sie würde um Kunden werben.

Wie der „dm-drogerie markt“. Dort wurden die Abstände zwischen den Regalen nicht verkleinert, sondern vergrößert. Die Räume wurden heller, offener, einladender. Die Kunden sollen sich wohl- und willkommen fühlen. Auszubildende in den dm Märkten spielen Theater. „Abenteuer Kultur“ ist ein wichtiger Teil ihrer Ausbildung. Die Lernlinge, so heißen die Azubis dort, sollen dadurch selbstbewusster und gestaltungsfreudiger werden. Sie sollen sogar lernen Nein zu sagen. Nicht zu den Kunden. Zu den Oberen.

Mit diesen Ideen des dm Gründers Götz Werner, der heute vor allem mit seinem Plädoyer für das bedingungslose Grundeinkommen unterwegs ist, wurde dm Marktführer. Es wurden keine Filialen geschlossen. Es werden dauernd welche eröffnet.

 

Valentin

 

 

Man hört den Sound von Planwirtschaft

Wie die Kirchen sollen in Hamburg auch die Schulen schrumpfen. Solche mit überflüssigen Quadratmetern gemäß der Bemessungsnorm, die „Musterflächenprogramm“ heißt. Man hört den Sound von Planwirtschaft, die letzte verbliebene, die Bildungsplanwirtschaft. 12 Quadratmeter stehen einem Schüler zu. Flure, Fachräume, auch Turnhallen sind mit gerechnet. Bereits 34 Hamburger Schulen mussten Flächen abgeben. Jetzt trifft es weitere 17 . Die Finanzverwaltung  vermietet oder verkauft dann die Gebäude. Einzelne Klassenräume werden „abgemietet“. Das trifft jetzt auch die Grundschule „Moorflagen“. Sie ist „Schwerpunktschule für Inklusion“. Aber für Inklusion bekommt sie keinen zusätzlichen Platz. Das fordert den Widerspruch der Eltern heraus. Behinderte Kinder brauchen mehr Raum. Für die drei Autisten sollte es Platz für Auszeiten geben. Kinder mit Orthesen, brauchen Ecken mit Teppichen um zwischendurch auf dem Boden zu krabbeln. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein. Ist es aber nicht.

 

Schulen sollten die Kathedralen unserer Zukunft werden

Als die Eltern jetzt Krach schlugen, bekamen sie zu hören, die Räume seinen bereits „abgemietet“ und dass es auch möglich sei, „mit weniger Raum den Ansprüchen der Inklusion gerecht zu werden.“ Vielleicht den Ansprüchen der Inklusion, aber nicht denen der Kinder. Immer wieder diese Camouflage in der Funktionärssprache. Sie reden zum Beispiel von den „Schwierigkeiten der Schulen im Umgang mit Heterogenität“. Nein, die Schulen haben Schwierigkeiten mit den Kindern, die alle verschieden (heterogen) sind. Aber die Heterogenität? Wer hat sie je gesehen außer in den Texten aus Behörden und anderen Ideologiefabriken.

Es geht darum dieser Sprache und dieser wirklichkeitsabgewandten Haltung eine andere Haltung und konkrete Vorstellungen entgegen zu setzen. Die Kinder zu sehen, wie sie sind und wer sie sind, und sie nicht auf Abstraktionen wie Heterogenität, Inklusion und Co. zu reduzieren. Nicht auf die Quadratmeter in „Musterflächenprogrammen“ zu starren, sondern zu überlegen wie die Räume Welt öffnen können. Wie wäre es denn, wenn es in Schulen Ateliers gäbe, in denen Erwachsene ihren Passionen nachgehen und Kinder dafür interessieren und damit anstecken? Zum Beispiel für Schriftsetzer eine ausgemusterte Druckerei? Ateliers für Künstler? Werkstätten für Handwerker? Übungsräume für Bands? Eine Küche für die Poeten der neuen Kochkompositionen? Und ähnliches. Wir brauchen Raum für die wunderbare analoge Welt, in der und mit der man so viel machen kann. Nur so lässt sich dem Fastfood aus den Simulationen, die auf den Handys landen, etwas entgegen setzen! Nichts gegen die Computer, diese Universalmaschinen, wenn wir lernen sie als Werkzeuge zu benutzen. Auch dafür brauchen wir Labore in Schulen.

Wie wäre es denn, wenn es in Schulen Ateliers gäbe?

Also viele verschiedene produktive Räume. Räume zur Produktion! Räume für viele Stoffe und für verschiedenes Material!  Für passende Techniken und Künste, um aus dem Material was zu machen. Dafür brauchen wir in Schulen noch viel mehr Räume.

Auch die arbeitslos gewordenen Kirchen könnte man dafür gut nutzen. Ihre Chance wäre so etwas zu werden wie die Kathedralen im Hochmittelalter. Darin gab es Märkte. Da wurde Karneval gefeiert. Selbst Prostitution war in diesen Räumen der großen Inklusion geduldet. Man lese das große Buch von Georg Duby, Die Zeit der Kathedralen – Kunst und Gesellschaft 980 bis 1420 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 1011).

Ja, vor allem die Schulen sollten die Kathedralen unserer Zukunft werden. Orte, die verkörpern was uns gut und wichtig ist. Was auch ein bisschen größer ist als ein noch so schönes Privatleben. Die Kirchengebäude bieten dafür natürlich in vielen Fällen bessere Voraussetzungen als die kleinteilige und engherzige Schularchitektur vergangener Tage und neuerlicher Sparprogramme.

 

Max

 

Aber wer soll das bezahlen?

Machen wir nicht gleich den Staat haftbar, klagen wir ihn nicht an, dass er sollte und müsste und überhaupt. Da wird nichts draus. Bilden wir Bündnisse zur Finanzierung einiger Kathedralen. Bilden wir Bündnisse für Bildung. Und dazu gehört erst mal das building, der jeweils besondere Ort. Ein zugleich öffentlicher und doch geschützter Ort. Verschwenderisch und schön! Mit Werkstätten, Übungsräumen, Ateliers, Laboren, Räumen der Stille und zum Toben, mit Unterrichtsräumen und Lernbüros. Ein ganz und gar diesseitiger Tempel für erwachsen gewordene Erwachsene und für Kinder voller Neulust!

Übrigens: Götz Werner, der dm – Gründer, sagte auf dem letzten Kongress des Netzwerks Archiv der Zukunft in Bregenz, jedes Unternehmen, das voran kommen will, braucht Leute, die ab und zu einen Schreikrampf bekommen, wenn die Verhältnisse einzufrieren drohen. Und er fasste sein Plädoyer für das bedingungslose Grundeinkommen in diesem Satz zusammen: Damit jeder die Freiheit hat, Nein zu sagen.

 

Illustrationen: Valentin und Max

Große Aufgaben – kleine Ressourcen

Ergebnisse der Kita-Umfrage „Kinder geflüchteter Familien in Berlin“

Das Berliner Bündnis für Kinder geflüchteter Familien „Willkommen KONKRET“ sandte allen Berliner Kitas im Herbst 2015 einen Fragebogen, um zu erkunden: Machen sich Kita-Teams Gedanken über geflüchtete Menschen? Was passiert bereits in den Kitas? Was brauchen die Teams, um sich geflüchteten Familien verstärkt zu öffnen? Zirka 5 Prozent aller 2 370 Berliner Kita-Teams beantworteten die 18 Fragen. Dorothee Jacobs und Hannah Rosenfeld berichten über die Ergebnisse der Umfrage.

logo willkommen konkret

Was ist Ihr Fazit nach der Auswertung der Umfrage?

Dorothee Jacobs: Zuerst einmal waren wir überrascht von den vielen Antworten. Sie ermöglichen ein weitaus differenzierteres Bild der Situation in den Berliner Kitas als bisher. Da wir die Umfrageergebnisse verbreiten, können die Verantwortlichen – zum Beispiel Kita-Träger oder die politisch Zuständigen – nun besser auf die Bedürfnisse der Praxis reagieren. Und die pädagogischen Fachkräfte merken, dass sie mit ihren Sorgen und Problemen nicht allein sind, weil es vielen Kitas ähnlich geht. Außerdem erleben sie, dass es Menschen gibt, die sich dafür interessieren, was Kita-Teams brauchen, um gut arbeiten zu können.

Kamen die Teams, die auf die Umfrage reagierten, über geflüchtete Kinder und Eltern ins Gespräch?

Dorothee Jacobs: Ja, die meisten Kita-Teams kamen darüber ins Gespräch. Nur drei Kitas gaben an, ihre Träger seien für das Thema nicht offen.

Als Bündnis fragen wir uns nun: Wie können wir die Träger, Kita-Teams und Eltern anregen, die sich noch nicht miteinander austauschen? Welche Unterstützung brauchen sie von wem? Und wie können gute Praxisbeispiele verbreitet werden?

Zum Beispiel bei wamiki. Was ergaben die Antworten über das Umfeld der Kitas?

Hannah Rosenfeld: Darauf zielten die Fragen 3 bis 6. Es zeigte sich, dass viele Teams nicht wissen, ob und wie sich das Umfeld engagiert, ob es Willkommensinitiativen oder Proteste gibt. Wir denken, dass Kita-Teams, die mit geflüchteten Familien arbeiten, ihr Umfeld kennen sollten und dass sie eine unterstützende Anwohnerschaft brauchen. Wir fragen uns, was wir als Bündnis dafür tun können, zum Beispiel in Sachen Öffentlichkeitsarbeit.

Nehmen die Teams Vernetzungsmöglichkeiten im Umfeld wahr?

Dorothee Jacobs: Die Antworten auf Frage 7 lassen darauf schließen, dass die Teams bisher kaum Kontakte zu  Kitas oder Familienzentren pflegen, die Kinder mit Fluchterfahrungen aufgenommen haben. Sichtlich brauchen sie Unterstützung, um funktionierende soziale Netzwerke aufzubauen. Wir könnten uns vorstellen, dass die Einrichtung besonderer Konsultations-Kitas hier Abhilfe schaffen kann.

Wie viele Kitas haben bereits Erfahrungen auf diesem Gebiet?

Dorothee Jacobs: Die Antworten auf Frage 8 belegen, dass nur ein Viertel der Kitas solche Erfahrungen hat. Demzufolge wäre es wichtig, Kontakte zwischen geflüchteten Eltern, die Kita-Plätze suchen, und Kitas oder Trägern zu erleichtern. Wir finden, dass in dieser Sache erfahrene Träger anderen Trägern beratend zur Seite stehen könnten.

Fast die Hälfte der Kitas hat sich jedoch noch nicht mit dem Thema beschäftigt, wie die Antworten auf Frage 9 zeigen. Was mag dem im Wege stehen? Angst, Unsicherheit oder Überlastung?

Was wissen die Teams über Menschen, die geflüchtet sind?

Hannah Rosenfeld: Die Hälfte der Teams gab auf die Fragen 10 und 11 an, kaum Informationen über die Lebensumstände in den Sammelunterkünften zu haben. Das erschwert natürlich die Einfühlung und Verständigung.

Wer wenig weiß und selten Begegnungen hat, wird kaum Kontakte stiften können, oder?

Dorothee Jacobs: Doch. Viele Teams beantworteten die Frage 12, indem sie von gelungenen Aktionen berichteten: Elterncafés mit geflüchteten Familien, Begegnungen bei Festen, Spiel- und Sportangeboten. Nur ein Viertel der Teams verzichtete auf eine Antwort oder gab an: „Noch keine Idee“.

Im Bündnis sind wir der Meinung, dass das Thema „Flucht“ in absehbarer Zeit auf jede Kita zukommen wird. Deshalb sollten Prozesse der Auseinandersetzung und Ideensuche zum Beispiel von den Trägern initiiert, begleitet und moderiert werden. Am besten nicht eventorientiert, sondern so niedrigschwellig und alltäglich wie möglich.

Schätzten sich die Teams als offen für Inklusions-Prozesse ein?

Hannah Rosenfeld: Ja, denn 85 Prozent der Befragten beantworteten die Frage 13 mit „ja“ oder „eher ja“. Die Grundannahme „Alle gehören dazu“ scheint weit verbreitet zu sein.

Und wie sah es bei der Frage nach „Spielräumen“ in Sammelunterkünften aus?

Hannah Rosenfeld: 38 Prozent der Kita-Teams können sich vorstellen, dass ihre Träger dafür offen wären, solche Räume in Sammelunterkünften zu betreiben. Das war übrigens eine der ersten Ideen unseres Bündnisses, denn: Zwar leben die Familien bei ihrem Start in Deutschland in den Unterkünften, ziehen aber über kurz oder lang wieder aus, und ihre Kinder verlassen die in der Nähe gelegenen Kitas. Es wäre also sinnvoll, zweigleisig zu fahren und in den Unterkünften kindgerechte, den Standards entsprechende Räume zu schaffen, die von Trägern der Kinder- und Jugendhilfe betrieben werden – am besten in Kooperation mit einer Kita.

Fühlen sich die Teams über Kinderrechte informiert?

Hannah Rosenfeld: Die meisten, nämlich 87 Prozent, fühlen sich gut informiert. 11 Prozent beantworteten die Frage 15 nicht oder mit „eher nein“. Dieser Trend widerspiegelt sich auch in den Antworten auf Frage 16, denn 79 Prozent der Teams erklärten, dass es ihnen gelingt, den Bedürfnissen der Kinder mit geringen deutschen Sprachkenntnisse gut oder halbwegs gerecht zu werden. Es zeigte sich, dass die meisten Teams bereits Handwerkszeug besitzen, um mit diesen Kindern zu kommunizieren.

Wie beantworteten die Teams die Frage nach unterstützender Fortbildung?

Dorothee Jacobs: Insgesamt gaben mehr als drei Viertel der Kita-Teams in den Antworten auf Frage 18 an, Unterstützung bei der Arbeit mit geflüchteten Familien zu brauchen. Sie wünschen sich Fortbildungen zu diesem Thema. Konkret ging es ihnen um die kulturellen und religiösen Hintergründe, aber auch um die Lebensumstände der Familien, um Fluchtursachen und rechtliche Grundlagen der Asylverfahren. Auch das Thema „Trauma“ wurde oft genannt.

Um sich für die Familien öffnen zu können, wünschen die Teams sich mehr Zeit, mehr Personal und Supervision. Zudem machen Sprachbarrieren im Kontakt mit den Eltern Sorgen. Ein Viertel der Befragten äußerte Bedarf in diesem Zusammenhang.

Insgesamt zeigte sich, dass es den Beteiligten an Kommunikation und Information fehlt, dass ein besserer Personalschlüssel ebenso nötig ist wie der Einsatz von Sprachmittlern. Unser Bündnis wird sich darum bemühen, all dies an die zuständigen Stellen heranzutragen.

 

Die Fragen

1. Reden Sie in der Kita, im Team und mit den Eltern über Geflüchtete?
2. Ist Ihr Träger aus Ihrer Sicht grundsätzlich offen für die Thematik geflüchteter Familien?
3. Falls es im Umfeld der Kita eine Sammelunterkunft für Geflüchtete gibt – sind die Anwohnerinnen und Anwohner unterstützend engagiert?
4. Falls es im Umfeld der Kita eine Sammelunterkunft für Geflüchtete gibt – sind die Anwohnerinnen und Anwohner abwehrend engagiert?
5. Falls im Umfeld der Kita eine Sammelunterkunft für Geflüchtete geplant ist – sind die Anwohnerinnen und Anwohner unterstützend engagiert?
6. Falls im Umfeld der Kita eine Sammelunterkunft für Geflüchtete geplant ist – sind die Anwohnerinnen und Anwohner abwehrend engagiert?
7. Hat Ihre Kita schon Kontakt mit Kitas oder Familienzentren, die bereits Kinder mit Fluchterfahrung betreuen?
8. Engagiert sich das Team Ihrer Kita bereits und hat Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern aus geflüchteten Familien?
9. Wenn nicht – hat sich das Team der Kita schon darüber verständigt, wie es sich engagieren könnte?
10. Sind die konkreten Lebensumstände von Geflüchteten in der Kita bekannt?
11. Hatten Kolleginnen und Kollegen aus Ihrem Team oder Eltern schon einmal Kontakt zu einer Sammelunterkunft?
12. Welche Möglichkeiten sehen Sie, Kontakte zwischen Familien mit Fluchterfahrung und anderen Familien der Kita zu stiften?
13. Würden Sie Ihr Team als offen gegenüber dem Prozess der Inklusion bezeichnen, zum Beispiel: offen zu sein für alle, die in die Kita kommen möchten?
14. Können Sie sich vorstellen, dass Ihr Träger bereit und in der Lage wäre, einen „Spielraum“ in einer Sammelunterkunft eigenverantwortlich zu betreiben – in Patenschaft mit einer Kita?
15. Fühlen Sie sich gut über die Kinderrechte informiert?
16. Gelingt es Ihrem Team, die Bedürfnisse und Lebensthemen von Kindern mit wenig oder keinen (deutschen) Sprachkenntnissen wahrzunehmen?
17. Sind Sie der Auffassung, das Team braucht eine unterstützende Fortbildung, bevor es mit geflüchteten Familien zusammenarbeiten kann?
18. Zu welchen Fragen und Inhalten würden Sie bei einer solchen Fortbildung arbeiten und etwas hören wollen?

Ein großer Teil der Fragen konnte mit „ja“, „eher ja“, „eher nein“, „nein“, „weiß nicht“ und „keine Angaben“ beantwortet werden. Einige Fragen erforderten kurze Ausführungen.

 

 

Verständnis und Verstehen

Eine afghanische Familie in Mecklenburg

Afghanische Familie in Mecklenburg
Kainat und Sana

„Eine Flüchtlingsfamilie mit acht Kindern wohnt jetzt hier im Dorf. Und wir sollen Sachen für die Schule mitbringen, zum Spenden. Das hat Frau Voss gesagt.“ Mit diesen Worten kommt mein Enkel aus der Schule. „Acht Kinder!“ betont er noch einmal.

„Hier in Groß Nemerow?“ frage ich zurück. Diese Nachricht ist mir neu. Doch das wundert mich nicht. Vor Jahrzehnten – ich wohne seit 35 Jahren in diesem Ort – wäre die Ankunft einer solch großen Familie, noch dazu aus unbekannter Ferne, keinen Tag lang verborgen geblieben. Der Dorfkonsum, die Kneipe und die Bänke am Dorfteich waren zuverlässige Informationsquellen. Doch Konsum, Kneipe und Bänke gibt es längst nicht mehr. Somit haben Neuigkeiten es schwer, sich im Dorf zu verbreiten.

Allerdings kommen die Kinder nicht in die hiesige Schule. Die hat einen privaten Träger. Deshalb müssen die Kinder jener Einwohner, die kein Schulgeld aufbringen können, zur Regionalschule in Burg Stargard gefahren werden.

„Die Sachen sollen wir beim Bürgermeister abgeben. Kann ich meine Filzstifte hinbringen? Ich male doch am liebsten mit den Buntstiften“, sagt mein Enkel. Ich indessen frage mich, wo denn die Flüchtlingsfamilie untergebracht sein könnte. Acht fremden Kindern bin ich im Dorf noch nicht begegnet. Also die Nachbarin fragen. Sie ist hier Kindergärtnerin. „Keine Ahnung“, sagt sie, „hab auch nur so was läuten hören.“ Also den Bürgermeister ansprechen. Bei Gelegenheit. Der muss ja etwas wissen. Aber er ist im Urlaub.

Doch die Neuigkeit lässt mir keine Ruhe. Es sind insgesamt elf Leute, höre ich. Zwei Frauen, ein Mann und die acht Kinder. Vielleicht brauchen sie Hilfe? Schließlich entdecke ich die Fremden zufällig beim Vorbeifahren. Sie bewohnen ein bislang leerstehendes Einfamilienhaus am Dorfrand. Im Garten, unter den alten Kirschbäumen, spielen zwei Jungen Fußball.

Afghanische Familie in Mecklenburg
Abu und Yasin

Am nächsten Tag packe ich die große Einkaufstasche und fülle sie mit Reis, einer Büchse geschälter Tomaten, Zucker, Mehl, Salz und Nudeln. Zwei Pappbilderbücher und ein Polizeiauto mit Schwungrad, Heftpflaster, Waschmittel, eine Rolle Kekse und den Türkischen Honig, der als Mitbringsel aus Istanbul noch verpackt im Küchenregal steht, kommen dazu. Wenn die Familie aus Syrien stammen sollte, denke ich, mag sie so etwas bestimmt. Ich hänge die schwere Tasche an das Fahrrad und mache mich auf den Weg.

Als ich vor dem Haus anhalte, sind wieder die beiden Jungen im Garten, außerdem zwei Mädchen und eine junge Frau. Sie trägt ein schwarzes Kopftuch, die Mädchen haben Pudelmützen auf. Es ist nasskalt, und ein hässlicher Wind bläst aus Nordost.

Zögernd trete ich an den Gartenzaun. Eines der Mädchen kommt auf mich zu. Offener Blick, leichtes Lächeln. Die Mütze lässt die hohe Stirn und den schwarz glänzenden Haaransatz frei. Dicke Zöpfe hängen über die Schultern hinab.

Afghanische Familie in Mecklenburg
Husna,Sana, Mina und Kainat

„Hallo“, sage ich. Und: „Ich bin Wera.“ Über die Gartentür reiche ich dem Mädchen die Hand entgegen. „Ich biiin Kainat“, antwortet es mit belegter Stimme und gibt  mir die Hand. Da lassen  die Jungen den Ball liegen und kommen angelaufen. Ich begrüße sie und stelle mich auch ihnen vor. „Challowiegehts“, sagt der kleinere, vielleicht sechs oder sieben Jahre alt. Sein Bruder, etwas älter, bleibt schüchtern hinter ihm. Von Kainat erfahre ich, dass sie Yasin und Abubakar heißen.

Ich reiche meine Tasche über den Gartenzaun und sage zu Kainat: „Vielleicht könnt ihr noch etwas gebrauchen.“ Doch sie wehrt ab. Da zeige ich ihr die Nudeln, die Tomaten, den Reis… Sie schüttelt den Kopf. „We do not need“, sagt sie, „nein, nix brauch.“

Ratlos sehe ich mich nach der jungen Frau um und nicke ihr zu. Lächelnd kommt sie näher und öffnet die Gartentür. Ich reiche ihr die Tasche, sie nimmt sie entgegen und sagt: „Come in. Bitte.“ Zusammen gehen wir ins Haus. Die Jungen holen Latschen für mich. Ich ziehe meine Schuhe aus und schlüpfe hinein.

Diva, die junge Frau, bedeutet mir, Platz auf der Eckbank in der Veranda zu nehmen. „Trinken? Juice?“ fragt sie. „Gern“, sage ich, „vielen Dank.“ Kainat huscht in die Küche, kommt mit einem Tablett zurück und reicht mir ein Glas Orangensaft.

„Ich wollte euch kennenlernen“, erkläre ich und nehme einen Schluck vom dem süßen Getränk. „Ich wohne hier im Ort. Vielleicht kann ich euch was helfen.“

„English, english“, sagt Kainat hastig und setzt sich neben mich. Da zischelt Zakia, die ältere Frau, etwas, und Kainat springt auf. Ich soll allein auf der Bank sitzen. Alle stehen nun um mich herum. „Woher kommt ihr?“ frage ich und stelle das Glas auf das Fensterbrett hinter mir. Einen Tisch gibt es nicht. „Aus Syrien?“ „Afghanistan“, sagt Diva.

Wir versuchen, miteinander zu sprechen. Doch schnell zeigt sich: Ihr Englisch ist noch schlechter als meins. Trotzdem gelingt es mir, ihnen mitzuteilen, dass ich helfen könnte, die deutsche Sprache zu erlernen. Ich lasse meine Telefonnummer und meine Adresse da, verabschiede mich, hänge die leere Einkaufstasche an den Fahrradlenker und fahre nach Hause.

Afghanische Familie in Mecklenburg
Yasin
Afghanische Familie in Mecklenburg
Abdelsamar

Am Abend sehe ich: Der Bürgermeister ist wieder da. Ich rufe ihn an und erfahre, dass die Familie – seit Dezember 2015 in Deutschland – vor zwei Wochen nach Groß Nemerow kam. Es handle sich um einen Mann, dessen zwei Frauen und ihre Kinder. „Da musst du dich jetzt nicht groß drüber wundern, Wera. Das ist bei denen so üblich. Ich sag mal, hier ist es ja auch oft nicht anders. Bloß, dass es nicht legal ist“, sagt der Bürgermeister und berichtet, dass er schon etliche Sachen für die Familie eingesammelt habe. Aber drei Schultaschen fehlen noch, dazu Sportzeug, Turnschuhe vor allem. Das müsse er bis nächste Woche noch irgendwie besorgen.

Am Abend krame ich im Internet nach. Wie bringt man jemandem eine fremde Sprache bei? Ich habe keine Ahnung von Methodik und Didaktik, finde jedoch einen Onlinekurs für ehrenamtliche Helfer: „Deutsch für Flüchtlinge“. Ich müsste 6 bis 8 Stunden investieren und bekomme sogar ein Zertifikat, wenn ich den Test bestehe. Im Netz finde ich auch, welche Sprachen man in Afghanistan spricht, und ein Grundwörterbuch Paschtun-Deutsch mit Bildern, zum Ausdrucken. Ich kopiere zwei Exemplare. Die bringe ich der Familie am nächsten Tag, will sie bloß schnell über den Zaun reichen, doch der Vater ist da, und ich werde ins Haus gebeten. Husna serviert mir grünen Tee mit Sahnebonbons.

Auch Omar, der Familienvater, spricht nur wenig Englisch, und ich verstehe ihn kaum. Die Kinder reißen mir das Lehrmaterial förmlich aus den Händen. Sie umringen mich, setzen sich neben mich auf die Eckbank, streiten dabei um die Reihenfolge und beginnen sofort, die deutschen Wörter zu buchstabieren. Immer wieder sprechen sie mir nach – das Alphabet, Wörter, Zahlen. Pausenlos wiederholt Yasin die Zahlenreihe bis 50. Nach beinahe zwei Stunden schwirrt mir der Kopf vom Feuereifer der wissensdurstigen Kinder. Mit Omar vereinbare ich, dass wir uns zweimal in der Woche treffen könnten: am Dienstag und Sonnabend, jeweils um 10.00 Uhr. Seine Frauen stehen im Türrahmen, scheu lächelnd. Zwischen ihren Beinen krabbelt der Jüngste, Abdulsamad, 15 Monate alt. Wer von den beiden Frauen ist seine Mutter? Später zeigt es sich, denn er wird noch gestillt.

Zwei Tage danach beginne ich mit dem Unterricht. Vom Bürgermeister bekam ich ein Flipchart und den Schlüssel für den Sitzungsraum der Gemeindevertretung. Eine Freundin brachte mir einen zweiten Tafelaufsteller, was sich als sehr nützlich herausstellen sollte, etliches Schreibzeug, Schulsachen für die Kinder, einen Sack voller Plüschtiere und schöne Anziehsachen. Den Onlinekurs habe ich inzwischen absolviert und das Zertifikat heruntergeladen.

Afghanische Familie in Mecklenburg
Omar, Kainat, Sana und Mina

Marlies anrufen! Das fällt mir gerade noch rechtzeitig ein. Sie gibt seit 25 Jahren Deutsch für Ausländer an der Volkshochschule in Neubrandenburg. Noch am gleichen Tag bringt sie mir Lehrmaterial und spart nicht mit Tipps: „Besorge dir einen großen Wandkalender und hänge ihn im Gemeinderaum auf. Sonst klappen die Verabredungen nicht.“

Ich beginne mit dem Alphabet. Vorher hatte ich überlegt, wie ich möglichst alle Sinne bei der Erfassung der fremden Laute und Lautverbindungen nutzen kann:

·         A – Apfel: Ich lasse einen duftenden, kühlen Apfel die Runde machen und zerteile ihn dann in gleich große Stücke, so dass alle davon kosten können.

·         B – Bus: Ich zeige einen Fahrschein herum und schreibe den Ticketpreis an die Tafel.

·         Q – quietschen: Ich reibe zwei Stückchen Styropor aneinander, und die Versammelten verziehen die Gesichter.

·         O und U: Ich bitte Yasin zu mir und bedeute ihm, auf einen Stuhl zu steigen. „Yasin steht OBEN“, sage ich. Dann soll er wieder herunterkommen. „Yasin steht UNTEN.“

 

Ich wiederhole das ein paarmal, steige schließlich selbst auf den Stuhl und wieder herunter. Das amüsiert die Versammelten. Meinen Spaß habe ich bei den Umlauten. Den Kindern gelingen sie am besten, dem Familienoberhaupt kaum, und Abubakar kichert unverhohlen, als sein Vater mit schiefem Mund versucht, ein Ü zu sprechen.

Afghanische Familie in Mecklenburg
Mina und Sana

Nach den Winterferien fahren die Kinder das erste Mal mit dem Schulbus nach Burg Stargard. So bleiben mir an den Dienstagen nur die Erwachsenen. Omar, der bis zur 12. Klasse eine Schule besuchte und danach an einer Hochschule studierte, macht sich eifrig Notizen in Paschtun. Er schreibt sie von rechts nach links zwischen die Zeilen der Übungsblätter. Diva, die älteste Tochter, freut sich, wenn ich sie an die Tafel bitte, um erste deutsche Wörter zu schreiben. Ich habe das Gefühl, sie zeigt dem Vater gern, wie sie vorankommt.

Als es ein paar Wochen später – die Verständigung ist immer noch schwierig und voller Missverständnisse – darum geht, sich um einen Deutschkurs an der Volkshochschule zu bemühen, zögert Omar. Mir scheint, er hält es nicht für nötig, auch die achtzehnjährige Diva dort anzumelden. Ich wende ein, sie müsse gut Deutsch können, damit sie eines Tages eine Ausbildung beginnen kann. Diesen Gedanken nachzuvollziehen fällt ihm schwer, aber schließlich nickt er. Stumm verfolgt seine älteste Tochter unseren geradebrechten Disput, und ich merke, dass sich ihre Augen mit Tränen füllen… Wir werden allesamt voneinander zu lernen haben, wenn wir gemeinsam hier leben wollen, finde ich.

Die beiden Mütter hingegen scheinen Analphabetinnen zu sein. Ihnen gebe ich Übungsblätter für Erstklässler, auf denen sie die Linienführung der lateinischen Buchstaben trainieren können, und helfe ich ihnen, die Stifte richtig zu halten. In ihren schwarzen Kleidern und mit den Kopftüchern wirken sie beinahe düster auf mich. Selten sehe ich ein Lächeln. Ich weiß nicht, ob sie sich vorstellen können, sich in diesem fremden Land mit den fremden Sitten, Gewohnheiten und Normalitäten irgendwann heimisch zu fühlen.

Afghanische Familie in Mecklenburg
Mina und Abdel

Allerdings überraschen sie mich, als ich zum Essen bei ihnen eingeladen bin. Ihre strengen Kopftücher, die kein Haar hervorschauen lassen, tragen sie im Haus nicht, sondern bestickte Seidenschals und lange Kleider: Zakia ein bordeauxrotes mit bronzener Stickerei, Asmat ein dunkelgrünes mit weißem, filigranem Muster an den langen Ärmeln. Ich werde in die Küche gebeten und bekomme einen Teller duftenden Reis mit Rosinen und Karotten, dazu Auberginen-Tomaten-Gemüse mit Linsen und selbstgebackenes Fladenbrot. Die beiden Frauen setzen sich zu mir. Der Kleine quengelt auf dem Schoß der Mutter. Als ich mich ihm nähere, schlägt er nach mir. Ist es Eifersucht, oder was hat ihn so verstört?

Das Haus – ein typisches DDR-Neubauernhaus aus den 1960ern – ist zu klein für diese große Familie. In jedem Zimmer stehen Betten, Stühle und Schrankmöbel. Es gibt nur einen runden Tisch, an dem jedoch schwerlich alle gemeinsam Platz finden. Die Möblierung stammt aus dem Landkreis-Kontingent für die Flüchtlingsunterbringung, einiges wohl auch von der Besitzerin, die das Haus als Unterkunft vermietet. Es gibt weder Radio noch Fernseher. Später erfahre ich, dass die Familie bewusst darauf verzichtet.

„Omar“, frage ich, „erzählst du mir, wie ihr nach Deutschland gekommen seid?“„Mit Schiff“, antwortet er einsilbig. Als ich nachfrage, skizziert er den Fluchtweg auf einem Zettel: Afghanistan – Iran – Türkei – Kos – Athen – Mazedonien – Serbien – Kroatien – Österreich – Passau – Horst – Neubrandenburg – Groß Nemerow. 35 bis 45 Tage war die Familie unterwegs. Omar weiß es nicht mehr genau…

Zu Fuß durch Wüste. Dann in ein Schlauchboot. Die Kindern müssen in der Mitte sitzen. Das Wasser reicht ihnen bis zur Brust. Es ist November. „Afghanistan sehr schwer“, sagt Omar. Bomben jeden Tag, Taliban, die Mädchen ohne Zukunft. Er möchte etwas geben und fragt mich, ob er arbeiten kann: „Nix Geld, nur arbeiten.“

Afghanische Familie in Mecklenburg
Husna

Der Bürgermeister ist einverstanden, dass Omar mit dem neuen Vater meines Enkels die Toilette des Gemeindehauses malert. Nach einigen Tagen – der Bürgermeister braucht erst das Okay der Behörde – machen die Männer sich ans Werk: knallig Grün. Eigentlich sollten sie weiße Farbe verwenden. Ein Missverständnis…

Seit sechs Wochen kommen wir nun zum Deutschlernen zusammen. Die Fortschritte sind zwar spärlich, doch gut helfen können wir bei den Hausaufgaben der Kinder. Manchmal unterstützen mich meine Tochter, mein Enkel, der ob des Lerneifers der Flüchtlingskinder ein bisschen beschämt ist, und mein Mann. Außerdem steht der Familie eine Sozialarbeiterin zur Seite, vor allem bei Behördengängen.

Mitunter sprechen mich Leute aus dem Dorf an, wie es mir denn so ginge mit „meinen“ Flüchtlingen. Von wo die überhaupt kämen und wieso sie hier seien. Bereitwillig erzähle ich dann. „Na, da haben sie ja Glück mit Groß Nemerow gehabt“, sagt Gerda, eine Ureinwohnerin. „Hier, wo denen doch keiner was tut, oder?“

 

Die Bedeutung der Namen

Der Vater

Omar: lang Lebender, der Erstgeborene, Name eines der vier Kalifen im sunnitischen Islam

Die Mütter

Zakia: die Gebildete, die Intelligente

Asmat: die Reine

Die Kinder

Abuabkar: junges Kamel, Name eines der Gefährten des Propheten

Abdulsamad: Diener des Ewigen

Yasin: Herz des Koran, Prophetenname

Diva: die Reiche, die Göttliche

Kainat: die Schöpfung

Husna: die Schönste

Meena: blauer Edelstein, blauer Vogel

Sana: Glanz, Pracht

 

Das Nougat-Manifest

    Es sollte alles mit Nougatfüllung geben! Mindestanforderungen an Bürger: Sehen und wahrnehmen. Aufeinander achten und lächeln. Beim Ausweichen lächeln. Ausweichen, als wäre es ein Tanz. Und lächeln. Bitte, danke, lächeln. Bitte, danke, lächeln. So viele freundliche Gesichter und die unfreundlichen erst. Die kann man sich schön denken. Als vom Wind zerzauste Felder, wie…

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Mut und Glück (Teil 2)

Zum fünften Mal lud das Netzwerk Offene Arbeit Berlin-Brandenburg (NOA) am 16. Oktober 2015 zum bundesweiten Fachgespräch in die sozialpädagogische Fortbildungsstätte Jagdschloss Glienicke in Berlin-Wannsee ein. 50 Vertreterinnen der Offenen Arbeit aus Nord und Süd, Ost und West setzten sich eineinhalb Tage lang mit zwei Begriffen auseinander, die landläufig nicht im Mittelpunkt der pädagogischen Fachdebatten stehen: Mut und Glück. Zwei Impulsreferate – von Gerhard Regel (Teil 1) und Gerlinde Lill (Teil 2) – boten Diskussionsstoff. Weiter lesen

Die konjunktivistische Pädagogik

 oder der Wenn-und-Aber-Ansatz Aus dem Lexikon ungeschriebener pädagogischer Ansätze Weiter lesen…

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Mut und Glück (Teil 1)

Zum fünften Mal lud das Netzwerk Offene Arbeit Berlin-Brandenburg (NOA) am 16. Oktober 2015 zum bundesweiten Fachgespräch in die sozialpädagogische Fortbildungsstätte Jagdschloss Glienicke in Berlin-Wannsee ein. 50 Vertreterinnen der Offenen Arbeit aus Nord und Süd, Ost und West setzten sich eineinhalb Tage lang mit zwei Begriffen auseinander, die landläufig nicht im Mittelpunkt der pädagogischen Fachdebatten stehen: Mut und Glück. Zwei Impulsreferate – von Gerhard Regel (Teil 1) und Gerlinde Lill (Teil 2) – boten Diskussionsstoff. Weiter lesen

Einweg-Handschuhe aus Latex

Teuer muss nicht sein, aber kreativ! Michael Fink wandert durch die Billigläden und inspiziert Sonderangebote, um nach Dingen zu suchen, die kaum etwas kosten, aber Kinder anregen, so richtig süße, kleine Forscher oder Künstler zu werden. Weiter lesen…

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Grundrechte für Mittelschichtkinder

„Ich wär auch gern aus so ´ner interessanten Familie“, klagt des Satireautors Tochter, „in der die Kinder Haue kriegen.“ Ein Satz, der das Dilemma auf den Punkt bringt: Unsere Mittelschichtkinder haben von all den Kinderrechten, die ihnen immer bei „logo“ vorgestellt werden, gar nix. Weil sie das entsprechende Unrecht nicht erleben können. Weiter lesen

Kostehappen

PÄDIAWIKI: Vom Sinn und Unsinn pädagogischer Gewohnheitswörter Weiter lesen…

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Der Renner: Kochen und Backen

Als mein achtjähriger Sohn mit großen Augen vor mir stand und mich nun schon zum dritten Mal in diesem Monat fragte, wie lange es noch dauert, bis er in die 3. Klasse kommt, wunderte ich mich doch ein wenig und sagte: „Es dauert noch fast ein halbes Jahr.“ Seine Enttäuschung war ihm anzusehen. „Was muss man machen, um eine Klasse zu überspringen?“ wollte er wissen. Weiter lesen