Gedicht: Gerhard Gundermann

in der nachbarschaft

der rentner im garten

nebenan lebt gesund

er rülpst wie ein schwein

da erschreckt sich mein hund

mein hund zerrt dafür

seine alte vom rad

und die fällt ins gewächshaus

und verteilt den salat

 

refrain:

inner nachbarschaft, inner nachbarschaft

inner nachbarschaft

 

der rentner im garten

nebenan ist schwer krank

seine alte lässt er schindern

er liegt auf der bank

nur wenn sich meine große tochter

auf der hollywoodschaukel sonnt

da geht sein blutdruckmesser kaputt

 

refrain:

inner nachbarschaft, inner nachbarschaft

inner nachbarschaft

 

der rentner im garten

nebenan rüstet auf

er hat sich n stereorekorder gekauft

sein heino hat all meine rosen geknickt

doch jetzt schlag ich mit

nina hagen zurück

 

refrain:

inner nachbarschaft, inner nachbarschaft

inner nachbarschaft

…und wir müssen drin bleiben

Foto: eyelab / photocase.de

Wir- Verwirrungen

Ich, wir und die Anderen heißt das Thema dieses Heftes. Wer ich bin oder du bist, ist klar. Wer aber sind „wir“? Und wer bleibt als „die Anderen“ übrig?

Versuchen wir, das zu klären! Hoppla, schon begegnen wir sofort der ersten Absonderlichkeit des Pronomens wir. Nicht du, Lesende oder Lesender, wirst jetzt etwas klären, sondern nur ich. Wenn ich trotzdem „wir“ zu mir sage, bin ich nicht vom Größenwahn besessen, eine Majestät zu sein – „Wir, Michael von wamikis Gnaden“ –, sondern verwende das Autoren-Wir. Es kommt wohl aus einer verstaubten akademischen Welt, in der es in wissenschaftlichen Texten als unfein galt, „ich“ zu schreiben – schließlich zog man seine Schlüsse quasi in Vertretung der gesamten Wissenschaft. Selbst wenn das „Wir“ uneitel klingen soll, rhetorisch hat es eine suggestive Wirkung: Wir rutschen zusammen in meine Argumentation hinein.

Und, was hätten wir heute gerne? Das proletarische Gegenüber des Autoren-Wir könnte man Fleischtheken-Wir nennen. Vielleicht will man sich im Beisein von Leberwurst und Kasslerkamm nicht siezen, hat aber – wiewohl angesichts des Ortes durchaus passend – noch nicht Blutsbrüderschaft geschlossen? In solchen Fällen kann das Pronomen „wir“ ein guter Ersatz für „du“ und „ihr“ sein.

Ähnliches passiert am Krankenbett, wenn der Landarzt huldvoll fragt, wie es uns heute gehe – und damit Einfühlungsvermögen vortäuschen will. Außerdem basteln wir ja gemeinsam am selben Genesungsvorgang herum.

„Wir“ hören wir oft auch in Krippen und jungen Familien: „Haben wir Kaka gemacht? Jaa, wir haben ein richtiges Stänkerchen gemacht!“

Selbst wenn das Wir ein Wir ist, meint es nicht immer die gleichen Personen. In den meisten europäischen Sprachen hat das eine Wort Wir zwei Funktionen, die der Fachmensch „inklusives“ und „exklusives“ Wir nennt. Das exklusive Wir meint, dass der Sprecher von sich und jemand anderem spricht, den Zuhörer aber nicht einbezieht: „Wir – Anette und ich – sind uns einig, dass du nicht dazu gehörst.“ Beim inklusiven Wir gehört der Angesprochene dazu: „Wir drei – also auch du – sind uns einig, dass du einfach nicht dazu gehörst.“ In vielen Sprachen im Pazifik­raum gibt es für beide Wir-Bedeutungen übrigens ein eigenes Wort.

netzmaske

Hat es einen Vorteil, dass unser europäisches Wir so uneindeutig ist? Zumindest lässt es sich so besser instrumentalisieren. Wie wir Pädagogen wissen, wenn wir sagen: „Wir sind uns doch einig, dass die Garderobe kein Tobeplatz ist.“ Dass nicht die Kinder federführend an der Festlegung beteiligt waren, sondern nur die Kolleginnen Käthe und Grete, fällt sprachlich nicht auf. Auch wenn Politiker und Würdenträger appellieren, kaschiert die Doppeldeutigkeit des Wir Unklarheiten. „Wir alle müssen jetzt handeln“ kann heißen: „Ich und das ganze Kabinett tun endlich etwas.“ Oder: „Ihr da draußen müsst jetzt etwas tun, und wir hier oben sind im Geiste dabei.“

Ach, du liebes Wir! Weil du so sympathisch, aber verschwommen bist, hast du als einziges Pronomen Eingang in die Welt der Emotionen gefunden – als „Wir-Gefühl“. Allerdings ist der Begriff fast ein wenig verräterisch: Bei „Wir“ geht es nicht darum, wer tatsächlich teilhat, sondern wer gefühlt dazugehört. Es ist einfach wohltuend, sich als Teil von „Wir in NRW“, „Wir im Osten“ oder „Mia-san-mia-Bayern“ zu fühlen und beim verordneten Unternehmenscoaching „Vom Ich zum Wir“ zu gelangen. „Wir“ hilft, den zu Recht verpönten Nationalismus nicht aussprechen zu müssen, aber trotzdem anzudeuten. Etwa wenn im Sommer vorm EM-Duell „Ein Hoch auf uns“ intoniert wird. Klingt einfach smarter als „Deutschland lebe hoch!“

Sind wir irgendwann alle „wir“? Gefühlt bestimmt. Zum misstrauischen Beäugen oder Alltags-Diskriminieren gibt es ja immer noch „die Anderen“. Solange wir Anzeichen finden, dass die Anderen anders sein könnten als „wir“ und sich nicht ändern, solange sind wir „Wir“.

Foto: pip / photocase.de

Bilderrätsel

 

Welchen Begriff aus der Pädagogik haben wir im übertragenen Sinn collagiert? Die Buchstaben in den hellen Kästchen ergeben den Lösungsbegriff. Unter Ausschluss des Rechtsweges
verlosen wir 10x den Film: Mathematik ist überall. (Filmreihe: Weltwissen von Donata Elschenbroich und Otto Schweitzer).

Schickt eure Lösung per Post an:
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oder per E-Mail an: info@wamiki.de
Stichwort: Bilderrätsel.
Einsendeschluss ist der 1. März 2020.

PS: In Heft 5/2019 suchten wir den Begriff: Forschergeist.
Die Redaktion gratuliert allen Gewinnerinnen und Gewinnern.

Pädagogik aufräumen

Pädagogik lebt von Ritualen, heißt es. Erzieher, Lehrer und *innen machen alles Mögliche, weil es nun mal derzeit üblich oder sogar vorgeschrieben ist. Egal, ob es Sinn hat oder nicht. Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, ab und zu auszumisten. Deswegen stellt diese Rubrik pädagogische Gewohnheiten aufs Tapet und fragt ganz ergebnisoffen: Ist das pädagogische Kunst, oder kann das weg?

Bilder von Gebäuden an der Bauraumwand

An die Wand vom Bauraum gehört ein Bild vom Eiffelturm. Das sieht man in jedem Fachbuch und in jeder Kita in und um Deutschland. Was man deutlich seltener sieht: Kinder, die auf das nie ausgetauschte Bild starren und sich zum Bau von Türmen inspirieren lassen. Warum hängen solche Bilder da? Vermutlich, weil irgendeine Ur-Pädagogin dachte: Keine Ahnung, wie man diese Jungs anspricht, motiviert und inspiriert – ich bin ja ’ne Frau. Vielleicht hilft ein Foto?

Lass Dir, liebe Leserschaft, vom Ex-Jungen sagen: Jungs reagieren auf monatelang ausgehängte Eiffelturm-Fotos genau wie Mädchen: Mal kurz draufgeschaut, dann ignoriert.

Besser wäre: Bilder abhängen. Im Rollenspielraum gibt es auch keine Fotos von Prinzessinnen oder Müllmännern. Und niemand möchte Food-porn-Fotos in der Cafeteria sehen.

Wäre vielleicht besser: Die Wand für Regale oder Kinder-Bauwerk-Fotos aus der Kita zu nutzen und selbst für Inspiration zu sorgen: durch Mitbauen.

Foto: kallejipp, photocase

Gewalt in der Kita

Fachbuch

Gewalt gegen Kinder durch Fachkräfte kann viele Formen annehmen. Sie kann offen und erkennbar aber auch versteckt und subtil sein: Seelische Verletzungen gehören ebenso dazu

Wie körperliche Bestrafungen, sexualisierte Gewalt, mangelnde Versorgung oder vernachlässigte Aufsichtspflichten. Jörg Maywald zeigt Wege und Konsequenzen zu einem verantwortungsvollen Umgang mit einem Tabuthema. Mit vielen Fallbeispielen und Materialien.

 

Lebenswerk

Gute-Nacht-Lektüre

Mutterschaft ist eine paradoxe Erfahrung, zugleich prosaisch und rätselhaft, monoton und bizarr, komisch und katastrophisch. Mutterschaft bedeutet, die Hauptrolle in einem dramatischen Schauspiel menschlicher Existenz zu spielen, zu dem allerdings kaum Zuschauer erscheinen. Es ist ein Prozess, in dem sich ein gewöhnliches Leben in ein Chaos aus mächtigen Leidenschaften verwandelt.

Rachel Cusk erzählt ein Jahr aus ihrem Leben als Mutter, und ihr Bericht wird zu vielen Geschichten – zu einem Abgesang auf Freiheit, Schlaf und Zeit, zu einer Lektion in Demut und harter Arbeit, zu einer Reise zu den Urgründen der Liebe, zu einer Mediation über Wahnsinn und Sterblichkeit und zu einer éducation sentimentale über Babys, Stillen, schlechte Ratgeberbücher, Krabbelgruppen und Schreiheulen. Und darüber, niemals, niemals einen Moment für sich selbst zu haben.

 

Tod

Praxisbuch

Tod - Projekte mit Kita-Kindern

Thema „Tod“? Das ist doch nichts für Kinder! So die spontane Reaktion vieler Erwachsener. Dahinter steht der Wunsch, Kinder vor allem zu bewahren, das traurig machen oder beängstigen könnte, denn Kindheit soll möglichst unbeschwert sein.

Und wie sehen Kinder das? Unbefangen gehen sie an alle Fragen des Lebens heran, auch an die nach dem Lebensende. Sie wollen wissen, woher sie kommen, und können sich schwer vorstellen, dass es eine Zeit gab, in der sie noch nicht da waren. Sie wollen wissen, was passiert, wenn jemand stirbt. Was geschieht, wenn der Körper begraben wird? Wohin entschwindet die Seele? Kommen alle Menschen in den Himmel? Gangster auch? Die Verwandlung von Materie wollen sie ergründen, sie stellen sich philosophische, ethische und religiöse Fragen. Je nachdem, in welchem Umfeld sie leben, mit welcher Kultur sie aufwachsen und welche Erlebnisse sie haben, ergeben sich neue und andere Fragen oder Forschungsprojekte.

Wie Erzieherinnen aufgreifen, was die Kinder tatsächlich beschäftigt, wie Kinder, Erzieherinnen und Eltern ungewöhnliche Wege finden, davon erzählen die Projekt-Geschichten aus dem Kita-Alltag. Mit Medientipps zum Thema.

The end

Sachbuch

Gehst du auch so ungerne auf Beerdigungen? Weißt du, welcher Sarg für dich der richtige ist? Welches Lied soll bei deinem Abschied gespielt werden?

Der Tod. Er erwischt uns irgendwann alle. Aber wer weiß, wie das geht?

Sterben, beerdigen und trauern. Erklärt hat es uns niemand. Im schlimmsten Fall treten die Kirche und die Bestattungsbranche als Gralshüter einer „Kultur“ auf, die vor allem ihnen selbst nützt. Eric Wrede war Musikmanager und wurde Bestatter.

Er verwaltet nicht den Tod, er will etwas ändern an der gängigen Trauerkultur. Er begleitet Menschen auf ihrem letzten Weg frei von Konventionen. In seinem Buch zeigt er anhand vieler Beispiele aus der Praxis, wie die Alternative aussehen kann.

 

10 Fragen an Silvia Hüsler

Wann bist du glücklich?

Glückliche Momente habe ich beim Illustrieren. Besonders, wenn ich die Linoldrucke kolorieren darf und dabei vielleicht ein Hörspiel höre.

Was regt dich auf?

Wenn Kinder bei meinen Lesungen ganz artig dasitzen müssen, damit die Lehrerin keine bösen Blicke schickt. Dass es das heute noch gibt!

Was fällt dir ein, wenn du an deine Kindheit denkst?

Wie wir fünf Geschwister an einem riesigen Tisch saßen und uns etwas Spannendes erzählten.

Hattest du als Kind ein Idol?

Ja, ich habe meine Tante sehr bewundert. Sie lebte als Krankenschwester in Curacao und brachte unglaubliche Geschenke mit, wenn sie uns besuchte.

Was kannst du von Kindern lernen?

Spontanität.

Wen hättest du gern getroffen?

Enrico Berlinguer. Er war Generalsekretär der Kommunistischen Partei Italiens und eine beeindruckende Persönlichkeit.

Was schätzt du an einem Menschen am meisten?

Fröhlichkeit.

Was kannst du am besten?

Ich kann gut zuhören.

Was kannst du überhaupt nicht?

Ich kann nicht streiten.

Was wäre für dich eine berufliche Alternative?

Wenn ich noch mal jung wäre, würde ich gern Trickfilme machen.

 

Nein sagen

Ein Bilderbuch in 49 Sprachen

Im wamiki-Gespräch erzählt Silvia Hüsler über ihr neues Bilderbuch „Der Fuchs ruft NEIN“ und die Lust, ganz laut NEIN! zu schreien – auf Albanisch, Sorbisch, Hebräisch…

Wenn man das Buch nicht kennt, könnte man denken: Warum ruft der Fuchs nicht JA?

Weil NEIN so ein tolles Wort ist! Und weil es einfach ein Genuss ist, wenn man mal NEIN sagen kann.

Da sich das Buch ja eher an kleine Kinder richtet, ist das NEIN unglaublich wichtig. Schon bei den eigenen Kindern hat man es immer wieder erlebt, dass sie sich mit dem NEIN versteuern: „NEIN, ich will nicht runter von meinem Sitzchen!“ Eigentlich wollen sie runter, aber weil sie schon NEIN gesagt hatten, müssen sie dabei bleiben. Außerdem merken die Kinder, dass sie selbst etwas entscheiden können.

Im Buch gibt es zwar nicht viel Text, aber in 49 Sprachen.

Ursprünglich bestand der Text nur aus NEIN und den Angaben, wie man dieses Wort in all den Sprachen ausspricht. Die Idee war: Ein arabisches Kind spricht kein Deutsch, und ich spreche kein Arabisch. Aber wir können das Buch anschauen, und ich kann rufen: „Lä!“ Das Kind wird mich verstehen. Es sieht auf den Bildern, wie der Fuchs beklaut wird und ein ganz böses Gesicht macht. Beim Illustrieren habe ich bestimmt auch ganz böse dreingeschaut.

Außerdem muss das Wort laut ausgesprochen werden, nicht etwa geflüstert. Das macht den Kindern Spaß, oder?

Kürzlich erzählte ich das Buch einem dreijährigen Mädchen und schrie laut: „NEIN!“ Da erschrak das Mädchen. Dann hörte es weiter zu. Als ich fertig war, sagte es: „Erzähl noch mal, aber du musst wieder so schreien.“

Viele meiner Bücher erschienen im Lehrmittelverlag Zürich. Aber weil sich das Buch vom Fuchs auch an kleinere Kinder richtet, wollte ich, dass es bei Talisa erscheint, einem Verlag, der Bücher in vielen Sprachen herausbringt. Die Verlegerin fragte mich, ob nicht nur das NEIN, sondern auch die Namen der Tiere in all den Sprachen enthalten sein könnten. Als ich befürchtete, dass das viel Arbeit sei, sagte sie: „Machen wir.“

Schön ist auch, dass zu sehen ist, wie die 49 Schriften aussehen. Bestimmt ist das interessant für kleine Kinder.

Ja. Aber auch für Mütter, die mit ihren Kindern zu uns geflohen oder hier eingewandert sind. Sie werden darin bestärkt, ihre Sprachen wichtig zu nehmen, denn es geht nicht nur darum, dass die Kinder schnell Deutsch lernen.

Und die deutschen oder Schweizer Kinder werden sich an den Zeichen der fremden Sprachen erfreuen. Vor allem, wenn sie mit dem Schreiben beginnen. Mir hat es auch Spaß gemacht, für diese Zeichen Stempel zu schneiden, mich dabei in die Sprachen hineinzudenken und sie in die Bilder einzufügen, zum Beispiel zwischen die Raben, die Kirschen klauen.

Klauen! Das ist für Kinder sowieso ein interessantes Thema. Ich denke, dass jedes Kind mal klaut.

Hoffentlich.

 

Zehn Fragen an Silvia Hüsler gibt es hier!

Schluss mit Lustig

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