Liste verkehrt zu machender Dinge

Verkehrt! Das Curriculum verkehrt zu machender Dinge für die ersten 18 Lebensjahre

Muss man mit Kindern darüber reden, wenn sie was verkehrt gemacht haben? Auf jeden Fall, meint Michael Fink. Schon, weil sie durch fehlendes Feedback vielleicht die Lust verlören, viele weitere Dinge verkehrt zu machen. Und das wäre ja wirklich verkehrt, sagt der Autor und präsentiert sein Curriculum, in dem die wichtigsten verkehrt zu machenden Dinge für die ersten 18 Lebensjahre stehen.

Bei der Geburt das Köpfchen falsch eindrehen. Schon wieder an die Brust wollen. Die vierte Nacht in Folge durchschreien. Den Schrank ausräumen und Papas wertvolle Platten-Sammlung dabei demolieren. Alles am Lätzchen abschmieren. Alles in den Mund nehmen.

Die Rutsche hochkriechen wollen. Zum zehnten Mal schaukeln wollen, auch wenn andere Kinder warten. Mit Sand werfen. Den Sandkuchen von Jonas einfach kaputt machen.

Brokkoli nicht mal probieren wollen. Nur Krikelkrakel malen. Nicht „Ei“ machen wollen, obwohl man wem wehgetan hat. Immer zetern, wenn es ans Schlafen geht. Oft ein Böckchen haben.

Trödeln, obwohl alle warten. Drängeln, weil man nicht warten kann. Einfach abwarten, statt sich zu beeilen.

Die Mütze nicht aufsetzen wollen. Der lieben Omi kein Küsschen geben wollen. Nicht „Entschuldigung“ sagen wollen. Nicht Bescheid sagen, dass man Kaka muss. Eine Spielzeugpistole in den Kindergarten schmuggeln oder aus Duplo bauen und anderen Kindern damit Angst einjagen. Schlimme Wörter verwenden – egal, woher man sie hat.

Schon wieder ein blödes Überraschungsei verlangen. Einfach nicht einsehen, dass man nicht immer recht hat. Sogar noch frech werden und die Zunge rausstrecken.

„Börks“ sagen, wenn es gekochte Möhren gibt. Nicht den Fernseher ausmachen wollen. Den toten Vogel anfassen wollen. Über Kaka-Witze lachen. Alles Spielzeug aus dem Schrank räumen und nicht wieder einräumen wollen.

Rechts und links immer noch nicht unterscheiden können. Immer noch nicht die Schuhe zubinden können und stattdessen lieber Klettverschlussschuhe tragen. Sich immer noch nicht selbst den Popo abwischen, vermutlich aus Bequemlichkeit. Immer reinquatschen, wenn die Großen sich unterhalten.

Zwei Kinder

Foto: Uli Malende

Sich was mit Filzer auf den Arm schreiben. Zwei verschiedene Socken anziehen. Das Licht nicht ausmachen, wenn es längst Schlafenszeit ist. Ohne Helm Rad fahren. Wieder mit diesem Haustierwunsch anfangen. Wieder das schmutzige T-Shirt anziehen. Auf Socken durchs Nasse laufen – zum x-ten Mal.

Den Turnbeutel vergessen. Den Zettel aus der Postmappe nicht der Mutti geben. Die Postmappe unter der Schulbank vergessen oder in der Umkleide verbummeln. Die Federmappe nicht in Ordnung halten. Einen Tintenkiller besitzen und heimlich Fehler damit wegkillern. In der Hofpause oben bleiben.

Die beste Freundin nicht zum Geburtstag einladen. Den Freund hauen. Die Schwester doof finden. Die Mutti gemein erschrecken. Sich dumm stellen, obwohl man genau weiß, was man verkehrt gemacht hat.

Die Brotbüchse heimlich auf dem Nachhauseweg ausleeren. Vorm Ausflug nicht noch mal aufs Klo gehen, obwohl man weiß, dass man gleich wieder muss.

Zetern, wenn es Aufstehzeit ist. Die Finger nicht vom Computer lassen. Diese furchtbare Sendung sehen. Auf diese ekligen Seiten gehen. Diese grässliche Musik hören. Einfach nicht zum Gitarrenunterricht gehen, obwohl der richtig Geld kostet. Nix sagen, wenn man höflich gefragt wird. Überhaupt ziemlich ignorant und arrogant rüberkommen in letzter Zeit.

Dauernd mit den falschen Leuten rumhängen. So laut Musik hören, dass es alle nervt. So laut mit Kopfhörern Musik hören, dass es nicht gut für die Ohren ist. Das neue, sauteure Smartphone schon wieder verlieren. Mist mitmachen, statt zu sagen: „Da mache ich nicht mit.“

In der Pause heimlich ins Stadtcafé gehen. In Sozialkunde unentschuldigt fehlen. Beim Chemie-Test einfach ein leeres Blatt abgeben. So blöd sein und sich bei Dämlichkeiten auch noch erwischen lassen.

Diesen Typen anhimmeln. Sich einfach nicht entscheiden können, was man machen will. Sich nicht klar machen, welche Chancen man sich mit dieser dussligen Entscheidung vermasselt. So aus dem Haus gehen wollen und sich nicht mal vor sich selbst schämen.

Nicht Bescheid sagen, dass man über Nacht bleibt. Zu Hause Partys feiern und Papas wertvolle Platten-Sammlung dabei demolieren. Die Eltern nicht zur Abi-Feier einladen. Die vielen guten Ratschläge in den Wind schießen.

Fertig.

In der (un)moralischen Fickmühle

„Wo habt ihr bloß diese schlimmen Wörter her?“ Die Nachfrage wäre durchaus angebracht, wenn Mama oder Papa es mit dem Erklären ernst meinten: „…und dann tut Papa seinen Pipimann in Mamas Muschi…“ Vaters aufs Urinieren reduziertes Geschlechtsteil, Mutters Äquivalent mit Katzen-Kosename, verbunden durch „Reintun“? Gerade die „unschuldigsten“ Versuche der Benennung führen beim Thema „Sex“, geht man der Wortherkunft auf den Grund, in die Vorstellungshölle: Heißt Sex, dass Papa niedliche Kätzchen anpisst?

„Ich sage lieber Vagina und Penis“, weichen Leute aus, die das Große Latinum abgelegt haben. Da erkennt man die Wortherkunft nicht gleich. Sex zum Beispiel kommt von sexus, also von Geschlecht, das wiederum von secare abstammt: teilen oder abschneiden. „Wir machen Sex“ heißt also „Wir machen Abschnitt“. Auch der Koitus erweist sich als geradezu schülerhaftes Sex-Wort: Co = zusammen, und itus kommt von ire = gehen, so dass wir das zusammengesetzte Wort mit „Miteinander gehen“ übersetzen dürfen. Gähn.

Aus all den braven Wörtern ragt ausgerechnet der Penis hervor, der mit Schwanz übersetzt wird, ursprünglich im Sinne von Tierschwanz, was Cicero gar nicht gefiel: „Einen Schwanz hießen die Alten Penis, aus welchem Worte, der Ähnlichkeit wegen, das Wort Pinsel entstanden. Aber heutigen Tages ist das Wort unflätig“, echauffierte er sich über „junge Mannspersonen“, die „dem Penis ergeben seien“ – nicht ahnend, dass ausgerechnet dieses zotige Römer-Wort bei uns Karriere als neutraler Fachausdruck machte.

Offensichtlich deftig kommen die deutschen „Vulgärausdrücke“ daher, die selbst Wiktionary züchtig in einen Extra-Absatz versammelt und warnt, die Ausdrücke seien „obszön betrachtet und verdeutlichen die mechanische, nicht emotionale Beteiligung beim Geschlechtsverkehr“. Errötend nähert man sich und wird nach eifrigem Studium der Wortherkünfte auf den Boden der Tatsachen geworfen: Egal ob „ficken“, „bürsteln“, „pudern“ oder „poppen“ – überall verstecken sich biedere Handwerkstätigkeiten. „Gefickt“ wurde früher dort, wo man durch schnelle Hin-und-her-Bewegung Reibung erzeugte, zum Beispiel beim „Wichsen“. „Poppen“ sagte der Kölner für „stopfen“, „pimpern“ kommt vom Pümpel, mit dem man Grobes zerkleinerte und heute noch – mit „ö“ – das Klo traktiert. Und „pudern“ hat nichts mit dem sinnlich riechenden Körperpflegemittel zu tun, sondern beschreibt die Herstellung von Butter, auch „buttern“ genannt. Pate für die Übertragung ins Sexuelle stand offenbar die erforderliche Stoßbewegung. Deftigkeit pur? Hm, das hätte die Butterfrau um 1500 vielleicht pragmatischer gesehen.

Wenn sowieso keiner mehr weiß, was „pimpern“ und „ficken“ ursprünglich meint, verliert das Sprachbild an Ausdruckskraft, oder? Wäre es nicht höchste Zeit, statt dieser überkommenen Sprachbilder neue Sex-Synonyme zu erfinden, passend zu den Tätigkeiten im digitalen Zeitalter? Versuchen wir es:

„Schatz, magst du meine Gefällt-mir-Buttons ganz doll drücken?“

„Gnä´ Frau, wie gerne würde ich mich mit ihnen synchronisieren und in den Datenübertragungsmodus gehen!“ (Wäre auch biologisch korrekt formuliert.)

Oder, nur leicht zotig: „Wieder übel drauf, der Hausmeister! Dem gehört mal der Flash-Player aktualisiert. Aber gründlich!“

Zurück zur kritischen Anmerkung von Wiktionary: Was wären denn Begriffe, mit denen sich die „emotionale Beteiligung beim Geschlechtsverkehr“ ausdrücken ließe? „Schmusen“ klingt Mechanik-frei, kommt aber vom jiddischen Wort für „miteinander reden“ im Sinne von klatschen oder tratschen und ist eng mit dem Schmu verwandt, den man nicht machen soll. Und das nette „Kuscheln“? Das kommt von „collocare“, was „hinlegen“ bedeutet. Auch wenn man das gemeinsam tut, bleibt der Vorgang Mechanik.

Bei den saubersten Lösungen, Begehren auszudrücken, scheinen hingegen Missverständnisse vorprogrammiert. War nicht abzusehen, dass der junge Mann, den die Freundin einlud, „mit ihr zu schlafen“, nach kurzem Gezappel in tiefen Schlaf verfällt? „Lass uns Liebe machen“, sagte ein anderer Jüngling und fühlte sich dabei wie ein romantischer Kavalier. „Ich dachte, deine Liebe sei endlos. Und jetzt kommt heraus, dass wir erst noch welche machen müssen“, antwortete seine Herzdame desillusioniert.

Gibt´s ein Fazit? Wie er oder sie „es“ nennt, müssen beide selbst wissen. Wenn Kinder sich der als obszön, vulgär oder mechanisch empfundenen Ausdrücke bedienen, haben sie im Grunde recht: Ihnen ist das erwachsene Tun peinlich, unfassbar und allerhöchstens mechanisch vorstellbar. Da passt „ficken“ besser als „miteinander schlafen“, obwohl Kinder sich darunter durchaus etwas vorstellen können. Aber das falsche.

PS: Und was hat es mit der „(un)moralischen Fickmühle“ aus der Überschrift auf sich? Jedenfalls nicht das, was Du, männlicher Erzieher, und Du, weibliche Erzieherin, wahrscheinlich dachtest. Wassermühlen, die mit einer Pleuelstange die Dreh- in eine Stoßbewegung umlenkten, wurden aufgrund der ursprünglichen Wortbedeutung von „ficken“ so genannt. Später, als das Wort allzu vulgär klang, ersetzte man das f durch ein zw – und die Zwickmühle entstand, in die man gerät, wenn man die Ursprungsversion der Korrektheit wegen passender findet.

 

Väterabend

Neuen Wind in die Kita und in die Zusammenarbeit mit Eltern kann ein Väterabend bringen. Vor allem aber neue Perspektiven. Schreiben Sie einen Einladungsbrief, zum Beispiel so:

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