Zwölfjährige legen Keuschheitsgelübde ab

In den USA werden Purity Balls ausgerichtet, sogenannte Keuschheitsbälle.

 

Für viele Mädchen gehört das feierliche Gelübde im Beisein ihrer Väter, keinen Sex vor der Ehe zu haben, zu den religiösen Überzeugungen, die ein Resultat ihrer streng religiösen Erziehung sind. Dazu muss man wissen, dass die Evangelikalen – ultrakonservative Christen – in den USA ein Viertel der Bevölkerung stellen. Sie rangieren nach den Katholiken (24 Prozent) und den Protestanten (18 Prozent). Dieser religiösen Richtung, für die die Bibel Lebensanleitung ist, entstammt auch der Trend zu Keuschheitsgelübden. Immerhin eines von acht Mädchen zwischen acht und 18 Jahren legt in den USA heute ein solches Gelübde ab.

Erfinder der Purity Balls ist Randy Wilson, Oberhaupt einer neunköpfigen evangelikalen Familie aus Colorado Springs, einem Zentrum der fundamentalistischen Christen. 1998 organisierte er den ersten Ball, auf dem Töchter in Abendkleidern mit ihren Vätern den Sex-Verzicht-Pakt unterzeichnen. Die Väter bekennen sich öffentlich dazu, ihre Töchter zu unterstützen und ihnen Vorbilder zu sein, indem sie versprechen, monogam leben und für die Familie und deren Werte einstehen zu wollen. Seit 1998 werden diese Bälle jährlich und inzwischen in 48 US-Staaten gefeiert.

Lollie
Lollie – Fotografin: Wie-yi Takasaki

Wenn man den Bildern glauben darf, ist so ein Ball ein großartiges Erlebnis für die Mädchen, denn alles dreht sich um sie, um ihr Aussehen, ihre Roben – sie stehen im Mittelpunkt. Schaut man sich die Zeremonien an, bei denen weißgekleidete Prinzessinnen um ein riesiges Holzkreuz tanzen, sich mit ihren Vätern im Walzerschritt wiegen, mit Männern also, die versprachen, gut auf sie aufzupassen und jede sexuelle Versuchung abzuwehren, bis derjenige erscheint, dem sie die Prinzessin übergeben, dann fällt es einem wie Schuppen aus den Augen. Das Thema der Jungfräulichkeit wurde und wird bis heute als patriarchales Machtinstrument eigesetzt, mit dem junge Frauen sozial zugerichtet, kontrolliert und auf eine ganz bestimmte gesellschaftliche Rolle festgelegt werden.

Wer glaubt, dass dies nur im Lande der unbegrenzten Möglichkeiten passieren kann, der irrt. Inzwischen werden erste Jungfrauen-Bälle nach dem Purity-Balls-Vorbild auch in Europa gefeiert. In Deutschland leben heute 1,3 Millionen evangelikale Christen, die an die Unfehlbarkeit der Bibel glauben und aus diesem Buch nicht nur das Reinheitsgebot vor der Ehe ableiten.

 

 

Frank Seiffarth ist Online-Redakteur bei wamiki.

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