Was würdest du tun?

Eine Situation – vier Perspektiven

Hier gibt es den Artikel als PDF: Waswürdestdutun_#3_2022

„Hä, wer hat jetzt was gemacht?“

Große Aufregung in der Kita „Regenbogen“, in der du als Erzieher*in arbeitest.

Offenbar hat sich folgende Situation abgespielt:

 

Lisa und Ayse verkrümeln sich aufs Klo.

„Guck mal, wenn ich hier ziehe, kann ich zielen beim Pullern.“

„Wie machst du das?“ Lisa guckt gebannt auf den feinen Strahl. „Wo kommt die Pipi raus? Kann ich mal sehen? Halt mal an.“

Ayse stellt sich auf die Klobrille und spreizt die Beine, damit Lisa besser gucken kann.

„Da.“ Da kommt es raus.
„Toll.“

 

Da kommt Ahmet dazu. „Was macht ihr da?“

„Wir gucken, wo die Pipi herkommt.“

„Bei mir kommt sie aus dem Pullermann.“

„Zeig mal!“

„Nee.“

„Doch, zeig mal.“

 

Ahmet druckst herum. Lisa geht auf Ahmet zu
und zieht ihm die Hose runter und will den Pullermann auch mal halten.

„Und jetzt mach Pipi!“

 

 

 

Dilemmata

Wie reagierst du?

 

„Ignorieren“, sagt Ignaz.

„Ich tue da gar nichts. Es ist Sache der Kinder, wie sie ihre Körper und ihre Sexualität erkunden. Gerade weil ihnen ihre Körper gehören – nicht den Erwachsenen! – haben sie allein das Recht, zu klären, wer da wen wo anfassen darf. Natürlich gebe ich den Kindern aber Regeln in die Hand, dass man Stopp sagen soll, wenn einem etwas zu weit geht. Aber ganz ehrlich: Das ist nicht anders, als wenn Kinder sich beim Schubsen weh tun oder Erzieherinnen sie zum Essen zwingen. Immer ist es gut zu sagen: Klärt das allein, von mir gibt’s nur die Werkzeuge dazu – in Form der Regeln. Und eine Bitte: Spielt solche Spiele dort, wo keiner etwas davon mitkriegt.“

 

Klare Kante zeigen“, sagt Klara.

„Ist ja schön, dass es Lisa und Ayse offenbar nichts ausmacht, sich gegenseitig beim Pullern zuzuschauen. Aber die Sache mit Ahmet zeigt schon: Nicht jeder findet nichts dabei, andere „untenrum“ kennenzulernen. Ich weiß ja jetzt nicht, ob Ahmet 100 Prozent freiwillig dabei war oder sich benutzt und ausgenutzt fühlt, und wenn jetzt zwei offensive Jungs das Gleiche mit einem schüchternen Mädchen machen würden, sähe die Sache noch schlimmer aus. Wenn ich mir vorstelle, die Mutter des „Opfers“ zu sein, ist die Antwort ganz klar: Nix gegen Spiele, wo man Nähe zueinander erkundet, nix gegen Projekte zum Thema Geschlechterunterschiede. Aber untenrum anfassen ist absolut tabu, schon um Kinder gegen Missbrauch stark zu machen. Würde man jetzt nicht eingreifen, sondern ‚tolerant ‘ wegsehen, würden die Kinder beim nächsten Mal die Grenzen immer weiter verschieben, bis hin zu wirklich echten Übergriffen.“

 

„Nur im Blickwinkel der Erzieher*innen“, sagt Nuriye.

„Tja, was ist eigentlich Schlimmes passiert? Drei Kinder haben erfahren, dass man auf unterschiedliche Weise pinkeln kann und dass sich Jungs und Mädchen körperlich unterscheiden. Ahmet scheint das Anfassen nicht gestört zu haben, sonst hätte er ‚nein ‘ gesagt, und aus Sicht der Kinder ist das ja kein Übergriff, sondern höchstens eine etwas ungewöhnliche, spannende Spielhandlung. Ich bin dafür, solche Momente auszuhalten, weil es wichtig für Kinder ist, offen ihre Körper und auch ihre Sexualität zu erkunden.

Damit dabei aber niemand Sachen mit anderen macht, die körperlich oder seelisch wehtun, finde ich die folgende Regel gut: So was darf man nicht heimlich machen, sondern nur da, wo Erzieher*innen in der Nähe sind. Auch wenn das für manchen Erwachsenen schlimm klingt, denke ich: Solche Spiele gehören nicht aufs Klo, sondern zum Beispiel auf die Hochebene oder in die Tobeecke, wo ich mit einem Auge mitverfolgen kann, ob es allen Mitspielern gut geht.“

 

„Eltern informieren“, sagt Elena.

„Was ich tue? Heute noch die Eltern aller Beteiligten anrufen. Natürlich nicht, um die Kinder anzuschwärzen, sondern weil das heutzutage ein sehr heikles Thema ist. Man liest immer wieder von Fällen sexueller Übergriffe im Kindergarten, und ich will nicht diejenige sein, die da wegguckt. Es ist meine Pflicht, da nachzuhaken, auch wenn es nervt und man sich wahrscheinlich unbeliebt macht. Aber tue ich es nicht, kocht eh unter den Eltern das Thema hoch. Gerade, wenn solche ‚Erkundungen ‘ für die Eltern aufgrund ihrer kulturellen Prägung undenkbar sind …

Abgesehen davon möchte ich schon ein paar Dinge von den Eltern erfahren: Für mich ist es bei allem Verständnis für kindliche Neugier nicht die normalste Sache der Welt, sich gegenseitig beim Pinkeln anzufassen. Es ist meine Pflicht, herauszukriegen: Gab es schon ähnliche Vorfälle bei den beteiligten Kindern? Haben sie vielleicht selbst solche Vorgänge an sich erlebt, die sie nun an Schwächeren nachspielen? Vielleicht muss man die Kinderschutzbeauftragte einschalten?

 

Was sagst du?

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Und was sagt dein Team?

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Dilemmata

Eine Situation – vier Perspektiven: Was würdest du tun?

Wir haben die Sozial-und Sexualpädagogin Corinna Jenner gefragt:

 

„Ignorieren“, sagt Ignaz.

Ich bin anderer Meinung. Bis zu dem Zeitpunkt – als Ahmet dazukommt – ist es OK. Warum? Die beiden Mädchen erkunden ihre Körper. Das passiert auf Augenhöhe. Beide Mädchen sind interessiert und machen das freiwillig. Erst als Ahmet erscheint kippt die Situation plötzlich. Er sagt nein. Lisa zieht ihm trotzdem die Hose herunter, „will auch mal den Pullermann halten“ und sagt an, was Ahmet nun zu machen hat: „Jetzt mach Pipi!“.

Das ist eine Grenzverletzung. Weil Ahmet nein sagt. Ich würde mir wünschen, dass Fachkräfte das Nein nicht ignorieren, denn es geht darum, Ahmet zu stärken. Die Botschaft ist: „Hey, steh für dich ein. Tu nur das, was dir guttut. Ist da ein komisches Gefühl in deinem Bauch? Dann sage oder zeige: Nein! Ich will das nicht. Hör auf! Lass sein!“ Gleichzeitig würde ich auf Lisa gucken und sagen: „Hast du gehört, was Ahmet gesagt hat? Er hat nein gesagt, er möchte es nicht. Du überschreitest seine persönliche Grenze.“ Beiden Kindern würde ich deutlich sagen, dass es gut ist, nein zu sagen, wenn man selbst etwas nicht möchte und dass dieses Nein vom anderen Kind zu respektieren ist. Immer. Das Nein gilt.

Gerade in der Kita brauchen Kinder einen verlässlichen Rahmen. Klar, es gibt Dinge, die Kinder allein klären können und sollen und dafür brauchen sie Führung und Sicherheit. Damit sie wissen, in welchem Rahmen sie sich bewegen dürfen.

„Und eine Bitte: Spielt solche Spiele dort, wo keiner etwas davon mitkriegt.“ — Da frage ich mich, was steckt hinter solchen Äußerungen? Was brauchen Fachkräfte noch, um sicher mit Situationen wie dieser umzugehen? Ist es die eigene Unsicherheit, die richtigen Worte zu finden? In Situationen wie dieser darf und sollte ich reagieren. Welches Vorbild wäre ich, wenn ich Ahmet und Lisa alleinlassen würde? In diesem Moment kann ich eine gute Vorbildrolle sowohl für Ahmet als auch für Lisa einnehmen.

„Klare Kante zeigen“, sagt Klara.

Spannend! Klara bewertet die Situation, wenn statt Lisa ein Junge einem Mädchen den Schlüpfer herunterziehen würde, anders – nämlich „schlimmer“. Damit tue ich mich schwer! Warum bewertet Klara das eine oder das andere „schlimmer“ auf Grund von Geschlechtlichkeit? Ich finde: Eine Grenzverletzung ist eine Grenzverletzung – unabhängig vom Geschlecht des Kindes. Für mich gibt es keinen Unterschied.

Gerade in der Kita gehören Körpererkundungsspiele dazu. Kinder sind neugierig, sie wollen sich kennenlernen, sie agieren in der Regel unbefangen, unbelastet von den Erfahrungen der Erwachsenen. Sie wollen schauen: Warum sieht XY anders aus als ich und wie sehe ich zwischen meinen Beinen aus? Beachten muss ich als Fachkraft, wie die Kinder aufwachsen: Leben die Kinder in Familien, in denen das Nacktsein natürlich ist, also in Familien, in denen Kinder und Eltern zum Beispiel gemeinsam baden? Oder gibt es eher die Haltung „Das Kind wird gebadet, aber das Kind sieht uns als Eltern nicht nackt.“? Nacktsein ist ein Tabu.

Wenn Ayse Lisa zeigt, wie sie anders Pipi machen kann, dann finde ich das OK. Als Fachkraft gibst du den Körper-Erkundungen der Kinder einen Rahmen: Sie sind freiwillig, kein Kind darf gezwungen werden, jedes Kind kann jederzeit sagen, wenn es nicht mehr mitspielen will. Wichtige Regeln sind: Wir tun uns nicht gegenseitig weh, wir führen uns keine Gegenstände in Körperöffnungen ein. Was das gegenseitige Anfassen betrifft wäre ich wohl toleranter, wenn es für beide Kinder OK ist. Wenn Lisa zum Beispiel sagen würde: „Hey, also ich habe es noch nie angefasst. Darf ich mal?“ Und Ahmet erlaubt es, er ist einverstanden. Dann ist die Neugierde einfach befriedigt und gut ist. Kinder gegen Missbrauch stark machen, ist sehr wichtig – aber das machen wir ja nicht nur, indem wir erklären, was alles verboten ist. Für die Kinder geht es doch darum, herauszufinden: „Hey, was möchte ich? Was gefällt mir? Kann ich sagen, dass ich das nicht möchte und auch dafür einstehen?“

Wichtig für den Rahmen von Körpererkundungsspielen ist:

Es gibt kein Machtgefälle zwischen den Beteiligten, zum Beispiel große Altersunterschiede. Es sind keine Erwachsenen unmittelbar zugegen. Unfreiwilligkeit, Machtgefälle und Geheimhaltungsdruck sind die drei Hauptkriterien, wenn es darum geht, wahrzunehmen, ob es sich um eine altersgemäße Aktivität der Kinder handelt oder um eine Grenzverletzung oder gar um einen sexuellen Übergriff.

„Nur im Blickwinkel der Erzieherinnen“, sagt Nuriye.

Einerseits kann ich den Wunsch von Nuriye gut verstehen: Sie möchte alles im Blick haben und für alle Beteiligten sorgen. Andererseits erfahren Kinder oft, dass das Thema Sexualität von Erwachsenen aufgebauscht, tabuisiert und rasch mit Verboten belegt wird. Meine Erfahrung ist: Kinder suchen sich meist einen ruhigen Ort, an dem das Spiel für sie passt. Vielleicht, damit sie nicht unterbrochen oder gestört werden. Sie machen das, was ihnen guttut, sie berühren sich, wo es ihnen gefällt, was ihnen schöne Gefühle macht. Es passiert im Hier und Jetzt und ist einfach eine Neugierde. Ich denke, ein Manko unter uns Erwachsenen ist: Wir haben nicht selten noch diese überholten Bilder von Kindern als asexuelle Wesen im Kopf. Kindliche Sexualität zu verstehen hilft uns, Unsicherheiten im Team und in Familien zu überwinden.

Kindliche Sexualität unterscheidet sich von der der Erwachsenen: Kindliche Sexualität äußert sich spielerisch, spontan, sie ist nicht auf zukünftige Handlungen ausgerichtet, ist egozentrisch, unbefangen. Sexuelle Handlungen werden nicht bewusst als Sexualität wahrgenommen. Neben aller Unterschiedlichkeit gibt es auch Gemeinsamkeiten zwischen kindlicher und erwachsener Sexualität. Wir Menschen können nur gesund aufwachsen, wenn wir Wärme, Berührungen, körperliche und seelische Nähe spüren können und dürfen.

 

„Die Eltern sofort informieren“, sagt Elena.

Elena agiert als eine besonders besorgte Fachkraft. Überbesorgt, scheint mir. Es ist einerseits sehr wichtig, dass wir als Fachkraft sensibel bleiben, dass wir wahrnehmen, was uns die Kinder im Alltag entgegenbringen. Und andererseits denke ich: Für ein Körpererkundungsspiel schalte ich nicht die Kinderschutzbeauftragte ein. Es gibt keinen formalen Katalog an sich, der sagt, wenn das, dieses und jenes vorliegt, dann reden wir hier von sexuellem Missbrauch. Das würde unsere Arbeit enorm erleichtern, aber diesen Katalog gibt es so nicht. Was im Fall A vorliegt, muss noch lange nicht in Fall B vorliegen, sodass es wirklich eine Herausforderung bleibt, differenziert wahrzunehmen. Deshalb appelliere ich, wachsam zu sein, aufmerksam zu sein und die Kinder gut im Blick zu behalten. Wenn sich ein bisher eher introvertiertes Kind plötzlich sehr auffällig, vielleicht sogar aggressiv verhält oder umgekehrt: ein vorher sehr lebendiges Kind plötzlich verstummt, dann können diese plötzlichen Veränderungen im Wesen der Kinder Hinweise sein. Sie können, sie müssen es aber nicht.

Sehr wichtig ist es, die Eltern mit ins Boot zu holen. Das schaffe ich als Kita-Team insbesondere dann, wenn ich eine klare fachlich begründete Haltung zu diesem Thema kommuniziere, also zum Beispiel gemeinsam ein Konzept entwickelt habe. Wenn ich mir als Team einer Kita Gedanken darüber mache, dass Sexualität in unserer Einrichtung Thema sein darf und das auch niederschreibe, dann habe ich eine andere Argumentationsgrundlage gegenüber Eltern. Natürlich wird es nie so sein, dass in einem Team alle die gleiche Meinung teilen oder Haltung haben. Das wirst du auch in keinem anderen Themenbereich finden, behaupte ich. Wenn sich das Team damit fachlich auseinandersetzt, dass das Thema Kindliche Sexualität in der Einrichtung Thema sein darf und dass das normal und wichtig in der Entwicklung der Kinder ist, dann wird meine Kita ein Ort sein, an dem Kinder ganzheitlich lernen und erfahren dürfen. Was ein unschätzbarer Wert für Kinder und uns alle ist. Wenn ich den Eltern damit auch zeigen kann: Kinder dürfen hier erfahren, wir haben ihre Kinder gleichzeitig gut im Blick, für Körpererkundungsspiele gibt es bei uns Regeln …, dann gebe ich ihnen zugleich Sicherheit und nehme sie anders mit ins Boot. Ja, Kinder haben eine Sexualität. Und die unterscheidet sich grundlegend von der Erwachsenensexualität. Auch wenn in einigen, insbesondere religiös geprägten Familien, Sexualität nur im Erwachsensein verortet wird, können wir versuchen, diese Familien über gemeinsame Ziele zu erreichen, die allen zugleich wichtig sind. Zum Beispiel: das Wohlergehen der Kinder, ihre persönliche und körperliche Integrität und der Schutz vor körperlichen Übergriffen.

 

Corinna Jenner ist Sozial- und Sexualpädagogin.
Kontakt: Corinna.Jenner@gmx.de

 

 

Was Männer und Frauen über Männer und Frauen wissen

Hier gibt es den Artikel als PDF: WasMännerundFrauen_#3_2022

Männer und Frauen unterscheiden sich grundlegend voneinander, schon beim Essen: Durchschnittlich grillen Männer viel häufiger, vor allem Schweinefleisch. Wohingegen Frauen prozentual mehr Huhn- und Putenfleisch verwenden, denn im Vergleich zu Schweine- und Rindfleisch, dem roten Fleisch, ist Geflügel quasi weiblich – frag nicht, wieso. Männer lieben Steaks außen schwarzgebrannt, innen hingegen blutig rosa, obwohl das ja eine Mädchenfarbe ist.

Zwar grillen Frauen Fleisch auch, aber nicht auf dem offenen Grill, sondern in der Pfanne. Weil sie sich Gefäßen wie der Bratpfanne instinktiv nahe fühlen, denn Frauen sind ja auch Gefäße für ihre Kinder. Männer sind keine Gefäße, sondern lassen sich von innen ausformen, wie man an Mallorcas Ballermann lesen kann: „Bier formte diesen wunderbaren Körper.“

Da Männern Gefäße fremd sind, verstopfen sie die Gefäße ihrer Körper gerne durch den dazu geeigneten Konsum von schwarzem Grillfleisch und Bier.

Männer lieben Autos und andere Maschinen. Frauen bevorzugen weiche Dinge wie Wolle und Seide, also Naturmaterialien. Trotzdem lieben Frauen Nähmaschinen, um weiche Stoffe zusammenzufügen. Mähmaschinen hingegen sind Lieblinge der Männer, die das weiche Geflecht des langen Rasens – ein echtes Naturmaterial! – damit wieder trennen. Denn Männer trennen furchtbar gerne: Berufsleben von Familie, Lewandowski vom Ball, Gattin von Geliebter.

Frauen lieben das Verbindende. Deswegen organisieren sie sich in Verbänden, verbinden als Krankenschwestern Wunden oder verwenden unendlich viele Bindewörter, auf Latein: Konjunktionen. Ihren wichtigsten Hygieneartikel nennen sie Binde. Nur die Binde, hinter die man sich einen kippt, ist männlich besetzt. Und die Bünde, in denen sich Männer zusammenschließen, vom Männerbund bis zur Bundeswehr.

Was dem Mann das Schlachtfeld, war der Frau einst das Feld der Frühpädagogik, aber dort dringen allmählich mehr Männer ein. Zum Glück mit klaren Unterscheidungsmerkmalen: Die Frau bevorzugt möglichst kleine, der Mann jedoch möglichst große Kinder. Idealerweise erzieht und betreut die Frau hingebungsvoll Krippenkinder, während der Mann als gestrenger Studienrat ältere Semester schult. Dafür gibt es biologische Ursachen, denn Männer haben tiefe, auf kleine Kinder bedrohlich wirkende Stimmen. Während die flötende Stimme der Frau Sanft- oder Anmut verströmt, vermittelt das tiefe Organ des Mannes Autorität. Wollen Frauen Autorität verströmen, müssen sie statt eines Machtwortes moralisierende Reden schwingen. Aber hilft das? Vielleicht bei Mädchen…

Während Mädchen als kooperativer gelten, und genau deswegen auch als zickig – frag bitte nicht, wie das zusammenpasst –, leben Jungs Konflikte direkt und körperlich aus. Obwohl Mädchen beziehungsweise Frauen eigentlich körperlicher sind, während Männer und Jungs ihre Körper nicht so spüren – ja, es ist wahnsinnig kompliziert! Jungs bekriegen sich ständig, sind oft bockig und müssen sich die Hörner abstoßen wie Ziegenböcke. Anders die Mädchen, die sich in sogenannten Zickenkriegen nur streiten.

Beträchtlich unterscheiden sich Jungs und Mädchen im Spielverhalten. Jungen machen ganztägig brumm, brumm mit den Lippen, weil sie sich für imaginäre Autos halten. Wenn sie nicht schießen: Piu, piu! Mädchen hingegen flüstern leise, aber ausdrucksvoll mit einer imaginären Prinzessin-Freundin. Während sie diese Passion gerne im tüllverhängten Rollenspielraum ausleben, bevorzugen Jungs den kahlen Bauraum mit seinen harten Hölzern. Verkleiden sich Jungs dennoch mal, dann als waffenstarrende Cowboys, während Mädchen die Rolle der leidenden Indianerin bevorzugten, bis ihre erwachsenen Geschlechtsgenossinnen ihnen das zur Vermeidung kultureller Aneignung verboten: Frauen reagieren beim Thema Antidiskriminierung gerne über.

Große Unterschiede zwischen Männern und Frauen zeigen sich am Arbeitsplatz. Männer führen Revierkämpfe, um das Alphatier unter sich zu ermitteln. Frauen begegnen sie mit dem berüchtigten Gockelgehabe: Wer kriegt sie (rum)? Klar, dass es in dieser Atmosphäre immer wieder zu Konflikten kommt.

Die Welt wäre eine andere, hätten Frauen die alleinige Macht. Das zeigt der Kindergarten, eine der Oasen rein weiblicher Hierarchien: Hier fallen Konflikte praktisch aus, denn Frauen lieben Harmonie. Es sei denn, eine Dame hält sich nicht an die ungeschriebenen Regeln, dass Frauen nicht miteinander konkurrieren und keine Alphatiere akzeptieren. Aber wenn plötzlich ein Mann auftaucht, klimpern die Wimpern und wackeln die Popos: Wer kriegt ihn (rum)?

Warum werden Jungs zu Jungs und Mädchen zu Mädchen? Die einen sagen: Allein durch Erziehung, weil Jungs zu wenig Grenzen gesetzt werden und Mädchen zur Zurückhaltung gemahnt werden. Anderen glauben: Die Evolution ist schuld, dieses tierhafte Hauen und Stechen, bis der Stärkere siegt und der Schwächere den Schwanz einzieht. Kurz: Die einen verdächtigen die raue, archaische ­Männerwelt der Natur, die anderen die als weiblich geltende Domäne der Erziehung. Da hilft nur das dritte Geschlecht.

Fair formulieren – aber wie?

Wie gleichberechtigt ist unsere Sprache? Wie geschlechtergerecht schreiben wir? Auf der Suche nach geschlechtersensiblen Lösungen in einer hitzigen Debatte Weiter lesen…

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Die Welt 2050

Wir haben eine begehbare Weltkarte* gebaut. Auf der kannst du dich durch fünf mögliche Zukünfte spielen.

Hier gibt es den Artikel als PDF: DieWelt2050_#3_2022

 

Was wäre, wenn es keine Grenzen mehr geben würde?

Reisen wir weiter um die Welt – oder unser Müll?

Haben Menschen mehr Rechte als Tiere, Pflanzen und ­Pilze, weil sie schlauer sind oder sich dafür halten?

Kann die Ostsee Öltanker verklagen?

Was passiert mit Schlachthöfen oder Baumschulen, wenn alle Lebewesen die gleichen Rechte haben?

Sollte der Job der Weltbestimmenden täglich wechseln?

Sollten wir die Abgeordneten für den Weltbundestag wählen – oder per Los bestimmen?

Was tun wir, wenn sich Länder nicht an die Beschlüsse der Weltregierung halten?

Was brauchst du, um überall auf der Welt gut zu leben?

Was ist Heimat? Wann fühlst du dich Zuhause?

Sollten alle Völker ab und zu Ringtausch machen, damit alle mal an den besten Plätzen wohnen?

 

 

 

DER OBERSTE GERICHTSHOF

Sprecht Recht …

… für Biene, Bach und Specht!

Beim Gerichtshof für Lebewesen darf alles
Leben auf der Erde sein Recht einfordern.
Als Richterin oder Anwalt vermittelt ihr im
Prozess zwischen den Anliegen von Biene,
Pappel, Hallimasch, Mensch, Tiger & Co.

DAS REISEBÜRO

Bereise unsere Welt …

… wie es unserer Welt gefällt.

Im Reisebüro habt ihr die Wahl und erfindet ­ungewöhnliche Traumreisen, die den Planeten nicht weiter kaputt machen: Null-Emmissionsreisen.

 

DAS WELT-WILLKOMMENS-HAUS

Immer gut aufgenommen …

… und nie viel mitgenommen.

Hier findet jeder Mensch Aufnahme, der 2050 seinen Wohnort verlassen muss – wegen Klimafolgen, Krieg oder aus anderen Gründen. Überlegt, wie euer Leben als Nomadin und ­Nomade aussehen wird und welche Dinge ihr auf alle Lebensreisen mitnehmt.

 

DER RESSOURCEN-STRUDEL

Baut Städte aus Müll …

… wo jeder wohnen will.

Im Plastikstrudel treiben gigantische Mengen Abfall zusammen, die man nie wieder aus dem Meer herausbekommt. Nutzt diesen Müll als Schatz – und errichtet schwimmende Städte für Menschen und andere Lebewesen von 2050!

 

DIE WELTREGIERUNG

Vertretet Interessen …

… aber welche und wessen?

Bei der Weltregierung darf jeder, jede und jedes mitreden. Denn es geht um unsere gemeinsame Lebensgrundlage. Entwerft Gesetze und stellt sie zur Abstimmung!

 

Fotos: Erik Neumann

Alles im Griff haben?

Die Vielfalt der Machtverhältnisse zwischen Erwachsenen und Kindern, Adultismus in Grundschule und Kita, Anpassung und Widerstand, Fehlerfreundlichkeit und die Macht der Autorität – …im wamiki-Gespräch lotet Sandra Moßner aus machtkritischer Sicht aus, was realistisch und möglich oder schädlich ist. Weiter lesen…

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Mädchen, Junge, Kind

Vom Lernen durch Beobachtung Wir Menschen lernen in erster Linie durch Beobachtung. Kinder beobachten die Welt, in der sie leben, ziehen ihre Schlüsse und setzen sich selbst in Bezug. Insbesondere in den ersten Lebensjahren gestalten Erwachsene diese Welt und Kinder finden sich darin zurecht. Wenn Mädchen mit zwei Jahren nur noch Rosa anziehen wollen, ist…

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Rollenspiele auf der Geschlechterbühne

Kinder wachsen in einer Kultur der Zweigeschlechtlichkeit auf. Was müssen sie lernen, um sich in dieser Kultur zu orientieren? Und was können Fachkräfte tun, um die Grenzen der Differenzierungsfalle Zweigeschlechtlichkeit zu weiten? Im wamiki-Gespräch beantwortet der Sozialwissenschaftler Jens Krabel diese Fragen. Weiter lesen…

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Alle für Alle

 

Einfach unersetzlich

Was singen die wamikis beim Fertigstellen dieser Ausgabe?

Keine Widerrede Mann, weil ich ja sowieso gewinn … Внимание дамы и господа. Через несколько секунд выйдут на сцену Schwule Mädchen … Wann ist ein Mann ein Mann? Oder? Hört selbst die wamiki-Hitliste:

Gender Pay Gap!?

Oh Gott, schon wieder ein Video zum Thema?

„Moment, Freunde der Sonne, nicht kotzen – schauen! Das Thema ist vor allem ­deswegen so nervig, weil es fast immer unvollständig ­dargestellt wird.“

Das ändert maiLab hiermit:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gendern – Wahn oder Wissenschaft?

Um die gendersensible Sprache toben Grabenkämpfe.

Welche Rolle spielt – wissenschaftlich gesehen – das Gendern tatsächlich?

Ist es vielleicht doch mehr als Ideologie? Ist mitgemeint auch mitgedacht? Wirkt sich Sprache auf das Verhalten aus? Macht Gendern die Sprache schwerer verständlich?

Fragt Prof. Harald Lesch und erklärt anhand von drei Studien hochkomplexe Zusammenhänge gewohnt einfach und klar. Sein Fazit: Eine männlich geprägte Sprache trägt nachweislich zu einem männlich geprägten Blick auf die Gesellschaft bei: „Der veränderte Sprachgebrauch führt zu einer erweiterten Gedankenlandschaft. Das ist eigentlich keine Überraschung, denn Sprache und Gedanken entstehen im Kopf. Unbewusst ändert sich unsere innere Perspektive gegenüber Fragen und Antworten. Wer nur das generische Maskulinum benutzt, schränkt diesen inneren Blickwinkel ein.“

Leschs Kosmos: „Gendern – Wahn oder Wissenschaft?“, ZDF

Gender Pay Gap für Kinder

Die Lohnschere zwischen den Geschlechtern fällt zwar in jedem Land unterschiedlich aus, gilt jedoch als bewiesen. Die norwegische Gewerkschaft ‚Finansforbundet‘ erklärt das Prinzip der ungleichen Bezahlung Kindern.
Die reagieren entsetzt auf ihre ungleiche Belohnung.

Gerecht bezahlen

So geht’s: Wie wichtig die Arbeit von Frauen ist, wissen Isländer*innen spätestens seit dem 24.Oktober 1975. Damals legten 90 Prozent der Frauen ihre bezahlte und unbezahlte Arbeit nieder. Sie gingen nicht zur Arbeit, kochten, putzen nicht, brachten ihre Kinder nicht zur Schule. Läden und Kindergärten mussten schließen. Das Land stand still. Mehr als 25.000 Menschen demonstrierten gegen die Ungleichbehandlung. Mit Erfolg: Ein Jahr nach dem „langen Freitag“ garantierte Islands Regierung Frauen die gleiche Bezahlung im Job.

Queere Ampel-Pärchen

In Städten wie zum Beispiel Hannover, Bielefeld, Braunschweig, Frankfurt und Wien zeigen queere Ampel-Pärchen grünes Licht. Die schwulen oder lesbischen Paare halten Händchen, zwischen ihren Köpfen ist ein kleines Herz abgebildet.
Die Kommunen möchten ein Zeichen für mehr Toleranz setzen.

 

Politische Männlichkeit

Susanne Kaiser entblättert Schicht um Schicht, wie Incels, Fundamentalisten und Autoritäre für das Patriarchat mobilmachen. In vielen Beispielen führt sie immer tiefer in diese Gedankenwelt hinein, wertet sie aus, knüpft Zusammenhänge und zeigt internationale Verbindungen auf – und das auf sachliche, fundierte Art und Weise. Dennoch musste ich das Buch immer wieder weglegen, da mir vom Denken dieser Menschen übel wurde. Dennoch würde ich es jeder*m empfehlen zu lesen. (LG)

Aus für sexistische Spielzeugwerbung

Mädchen spielen mit Pferden und lieben Rosa, Jungs spielen mit Polizeiautos und lieben Blau – diese und andere Stereotype sollen künftig in der Spielzeugwerbung in Spanien nicht mehr auftauchen. Ziel sei es, ein „pluralistisches, egalitäres und stereotypenfreies Bild von Minderjährigen zu fördern“.

Who Cares?

… ist eine App, die unbezahlte Care-Arbeit sichtbar macht, wenn ihr euch die Mühe macht, sie einzutragen. Und sie rechnet diese Arbeitszeit in Geld um.

Foto: Rodrigo Curi / unsplash

Erinnerst du dich?

Wie hat es sich angefühlt, Mädchen bzw. Junge zu sein?

 

 

Erinnerst du dich?

Hast du eher mit Jungen, eher mit Mädchen gespielt?

Welches Verhältnis hattest du als Kind zu deinem Körper?
Mochtest du ihn?

Was wäre, wenn du ihn dir aussuchen könntest?

Kannst du dich an Doktorspiele und andere
Entdeckungsreisen erinnern?

Wie ging man in der Kita, die du als Kind besuchst hast,
mit dem Thema „Körperlichkeit“ um?
Und in deiner Familie?

Wie wurde zu Hause und in deiner Kita deine Intimsphäre respektiert?

Welche Rolle spielte Gehorsam in deiner Kindheit?

Kannst du selbstbestimmt Ja und Nein sagen?
Wie und wann hast du das gelernt?

Hast du als Kind viel gekuschelt und geschmust?

Wer hat dich wie und wann aufgeklärt?

Wann hast du dich das erste Mal verliebt?
Wie hat sich das Verliebtsein angefühlt?

Hast du dich immer nur in Jungen bzw.
immer nur in Mädchen verliebt? Oder in beide?

 

 

Fotos: Jan von Holleben

Gedicht: Gerhard Schöne

Lass uns eine Welt erträumen

 

Lass uns eine Welt erträumen, die den Krieg nicht kennt,

wo man Menschen aller Länder seine Freunde nennt,

wo man alles Brot der Erde teilt mit jedem Kind,

wo die letzten Diktatoren Zirkusreiter sind.

 

Lass uns eine Welt erträumen, wo man singt und lacht,

wo die Traurigkeit der andern selbst uns traurig macht,

wo man, trotz der fremden Sprache, sich so gut versteht,

dass man alle schweren Wege miteinander geht.

 

Lass uns eine Welt erträumen, wo man unentwegt

Pflanzen, Tiere, Luft und Wasser wie einen Garten pflegt,

wo man um die ganze Erde Liebesbriefe schreibt,

und dann lass uns jetzt beginnen, dass es kein Traum bleibt.

 

 

Gedicht: kallejipp / photocase.de

Die Geschichte des ›-in ‹

Seit wann diskutieren Menschen über weibliche Bezeichnungen und verwenden sie? Der Blick in die Sprachforschung zeigt: Schon lange ist es üblich, weibliche von männlichen Bezeichnungen zu trennen. Im Lateinischen allein deshalb, weil es durch die unterschiedlichen Endungen männlicher und weiblicher Nomen leicht möglich ist: Da gab es zum Beispiel neben dem Sklaven (servus) die Sklavin (serva). Endete die männliche Form ausnahmsweise mal auf a, etwa beim Dichter (poeta), hieß die Dichterin eben poetria – Ordnung muss sein.

Wie hielten es die Germanen? Im Gotischen, einem uralten Verwandten der späteren deutschen Sprache, kannte man neun verschiedene Möglichkeiten, weibliche von männlichen Bezeichnungen zu trennen. Das -in war bereits dabei, aber es war die einzige Form, die an etwas angehängt werden musste. Sonst wurden je nach Geschlecht Endungen ausgetauscht.

Das Althochdeutsche kannte noch drei Varianten für weibliche Bezeichnungen: Neben -in, etwa bei kunigin für Königin, gab es zum Beispiel das -a. So hieß die Gastgeberin gastgeba, um sie vom männlichen Gastgeber zu trennen.

Nanu, gab es im „finsteren“ Mittelalter neben Hexen- und Teufelswahn auch noch Genderwahn? Gesetzestexte wie der folgende offenbaren Erstaunliches: „Unser herren meister und rat sint überein komen, daz kein altgewender, gremp oder grempin, noch nieman anders (…) hinnanvür me keinen husrat noch ander gut miteinander sammenthaft koufen üllent“, legte eine strenge Stadtordnung im 14. Jahrhundert fest. Gremp und Grempin sind Krämer und Krämerin.

Schon ein Jahrhundert zuvor verkündete ein Edikt für Tätige im medizinischen Bereich: „Alle, Chirurg oder Chirurgin, Apotheker oder Apothekerin, Kräutersammler oder Kräuterkundige, dürfen die Grenzen ihres Berufes nicht überschreiten.“ Man und frau reibe sich die Augen: Im frühen Mittelalter war das Gendern in offiziellen Texten bisweilen Ehrensache, entsprechend der weit verbreiteten Berufstätigkeit von Frauen in einer Zeit, in der es das Modell „Mutti daheim“ nicht gab.

„Es gibt auch Substantive, die (…) eigene oder singularische Feminina nicht haben: Sondern sie bilden das feminine Genus, indem sie dem Masku­linum in anfügen oder indem sie e in in verwandeln“: Seit der Renaissance sind Sprachforschungen wie die vom hier zitierten Albertus Oelinger aus dem Jahr 1574 bekannt, die belegen: Schon aufgrund grammatikalischer Logik müssen Bezeichnungen für Frauen mit weiblicher Endung versehen werden. Uneins war man sich nur, ob das -in weibliche Berufstätige ebenso wie Gattinnen männlicher Würdenträger bezeichnen sollte, also ob die Königin nur die Gattin des Königs oder eine Herrscherin an sich wäre. Ein Sprachlehrer schlug verschiedene Formen vor: Äbtin für die Gattin des evangelischen Abtes, Äbtissin für die Klostervorsteherin.

Erst mit der Aufklärung und der Romantik, ergaben Forschungen, verzichtete man zunehmend auf die weiblichen Bezeichnungen. Vielleicht auch, weil jetzt die daheim waltende Mutter und Hausfrau zum Ideal wurde? Dennoch war es im 19. Jahrhundert immer noch üblich, neue Berufe für Frauen (Arbeiterinnen) mit -innen zu versehen. Weil das in Zeiten starker Ungleichheit in der Regel Berufe mit schlechtem Status waren, fanden es viele Frauen der ersten Emanzipationsbewegung um die Wende zum 20. Jahrhundert erstrebenswert, männlich benannte Titel zu erreichen: „Ich bin Redakteur“ klang in damaligen Ohren ernstzunehmender als „Ich bin Redakteurin“ – als ob das -in den Wert schmälerte.

Auch wenn manch heutiger Leserbriefschreiber das generische Maskulinum bevorzugt: Erst spät nachweisbar ist die These, die männliche Form sei eine Art Grundwort, dem man für die weibliche Bezeichnung ein unnötiges -in angehängt habe. Und in den Sechzigern, keine goldenen Jahre für Geschlechtergerechtigkeit, schrieb man Sätze wie den folgenden: „Lehrer ist, wer zum Beruf das Lehren gewählt hat; Lehrerin ist dazu die moderne weibliche Variante. Im Verhältnis der beiden Varianten ist das Maskulinum das Grundwort. Es nennt eigentlich nicht eine männliche Person, sondern (…) allein das Subjekt eines Verhaltens.“ Lehrer als Verhaltensweise, die seit kurzem auch Frauen ausüben – coole These.

Könnte man auf das -in wirklich verzichten? In einem Text aus den Neunzigern stellen die Autoren fest: „Der Satz ‚Die Abgeordneten tanzten mit ihren Frauen ‘ klingt bei weitem natürlicher als ‚Die Abgeordneten tanzten mit ihren Männern ‘. Solange man sich Minister als Männer, Putzkräfte hingegen als Frauen vorstellt und die Hebammen sowieso – übrigens die einzige Berufsbezeichnung Deutschlands ohne männliche Form! –, solange geht es wohl nicht ohne -in, mit und ohne _, * und I. Und wem das zu kompliziert ist, der oder die geht zurück zum Althochdeutschen: „Ich bin eine Erzieha.“

 

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