Phrasen ohne Ende

Liebe Leserin, lieber Leser,

sind die Zeiten unsicher, steigt der Bedarf an Phrasen. Das könnte man zumindest vermuten, wenn man liest oder hört, was manch ein Politiker über die Corona-Krise verlauten lässt: Ohne „Ich verspreche Ihnen…“ und „Ich kann Ihnen versichern…“ vergeht kaum ein Tag, und markige Worte von „harten Monaten“ gehören immer dazu. Interessant ist, dass viele Phrasen wegen der Schnelligkeit der Pandemie schon nach kurzer Zeit hohl klingen. Früher wusste man erst nach 30 Jahren, ob der Satz „Die Rente ist sicher“ Wahrheit oder Phrase war. Heute weiß man schon nach Wochen, was man von „Es wird keinen zweiten Lockdown geben“ halten soll. Und quengelt vielleicht wie ein Kind: „Aber du hast es versprochen!“

Tja, Phrasen sind nicht für konkrete Aussagen da, nur für das gute Gefühl.

Lassen wir mal die Politiker beiseite und wenden wir uns unseren eigenen Phrasen-Phasen zu. Wir PädagogInnen, unter uns gesagt, sind ja bisweilen auch gern am Phrasen-Dreschen. Was wäre der Elternabend ohne ein paar Eindruck schindende Fachwörter? Was signalisiert mehr Verständnis im Seminar als ein locker dahingesagtes Selbstbekenntnis zu Partizipation? Wie verliefe eine Eingewöhnung ohne eine Handvoll Zuversicht verbreitende Allgemeinplätze? Wie läsen sich die Kita-Konzeption und die Werbebroschüre des Trägers ohne all die „Für uns sind Kinder“-Weisheiten? Vielleicht besser, klarer, wahrer?

„Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ Eine schöne Phrase, die Ludwig Wittgenstein da erfunden hat, oder? Er hatte allerdings nicht das Problem, ständig Eltern, TeamkollegInnen oder Kindern Rede und Antwort stehen zu müssen oder täglich ein „philosophisches Tagebuch“ mit Weisheiten zu füllen.

Für dieses Heft haben wir, nachdem wir uns genug über Phrasen aufgeregt hatten, den Satz auf pädagogisch umformuliert: Damit niemand schweigen muss, müssen wir alle unterstützen, gut und klar sprechen zu können.

Nicht so viele Phrasen – oder wenigstens nur schöne – wünscht Dir

Deine wamiki-Redaktion