Ich, wir und die Anderen

Liebe Leserin, lieber Leser,

…zu wem gehörst Du?

Als Kind – theoretisch könnten auch Menschen unter zehn, zwölf Jahren diese Zeitschrift lesen – wirst Du wohl antworten: zu meiner Familie.

Danach wird es schwieriger. Fühlst Du Dich neben Deiner Familie – ja, aussuchen konntest Du sie Dir nicht – sonst noch jemandem zugehörig? Vielleicht Deinem Team? Gehörst Du zu Deinem Kiez, zu Deiner Stadt? Fühlst Du Dich den Sorben, Schleswig oder Holstein zugehörig? Empfindest Du Dich als typisch kurdisch, original sächsisch oder als echter „Mia san mia“-Bayer? Gibt es eine Szene, der Du Dich zugehörig fühlst, oder gar ein Milieu? Womöglich würdest Du knapp formulieren: Ich gehöre dem deutschen Volke an?

„Ich, wir und die Anderen!“ lautet der Arbeitstitel dieses Heftes. Da ist eine Frage wie die oben gestellte unvermeidlich, finden wir. Apropos „Wir“: Wen oder was stellst Du Dir eigentlich unter „Uns“ vor, wenn Du nur unsere Texte, Zeichnungen und ein paar Fotos kennst? Das bleibt vermutlich genauso rätselhaft wie die Antwort auf die Frage: Wie stellen wir uns unsere Leserin, unseren Leser vor, die wir in diesem Text forsch duzen, als wären wir schon im Kindergarten zusammen…?

In der letzten Zeit wird häufig darüber diskutiert, wie man mit „Wir“ und „Die“ umgehen sollte. „Wir müssen uns mehr um die … kümmern“, hört man, und „Die … gehören zu uns!“ Sonderbar, denn wenn wir sowieso alle zu „uns“ gehören, müssen „wir“ uns dann nicht einfach nur um „uns“ kümmern?

Für uns Pädagogen ist die Sache ja eigentlich klar. Früher pflegten wir unsere Offenheit gegenüber „fremden Kulturen“ gern, indem wir mit der Kindergruppe im Projekt „Wir sind multikulti“ möglichst exotisch lebende Familien besuchten, um deren würzige Speisen zu kosten. Dabei übersahen wir allerdings, dass es „uns“ als klar definierte Gruppe, die ausschließlich Stampfkartoffeln mit Buletten isst, schon lange nicht mehr gab. So verschieden unsere Ursprünge auch immer waren und sind – über den guten Geschmack von Pizza sind wir uns immerhin einig. Das ist doch schon mal was.

Erleichtert können wir uns in diesem Heft ganz neuen Fragen zuwenden.

„Wir“ meint in diesem Fall: Ich und Du. Gern auch er, sie, es, wir, ihr und sie.

Deine wamiki-Redaktion.