Liebe Leserin, lieber Leser,
kennst Du diese Tage, an denen die Kinder in der Gruppe, die Studenten, die Eltern, die eigene Familie oder die Leute im Bus gereizt, unnachgiebig und aggressiv miteinander umgehen? Streit liegt in der Luft.
Wenn man, wie wir, Streit auch noch zum Heftthema macht, ragt der erhobene Zeigefinger vorm geistigen Auge auf: Negativ-Themen muss man gut verpacken, sonst stoßen sie die Leserschaft ab. Wie würden Eltern reagieren, wenn Erzieherinnen sagen: „Liebe Mütter und Väter, wir machen ein Projekt zum Thema ‚ Streit ‘. In der nächsten Woche werden wir uns richtig intensiv streiten…“ Nein, wer so etwas tut, der erntet: Streit.
Mal schauen, wie man das Thema positiv wenden könnte. So etwa: Magst Du Einigkeit? Diese Tage, an denen die Kinder, die Studenten, das Team, die Seminarteilnehmerinnen, die eigene Familie oder die Leute im Bus ganz genau Deiner und gleichzeitig einer Meinung sind? Findest Du es angenehm, wenn Konflikte nicht besprochen, sondern weggeatmet, übergangen, bagatellisiert werden? Wenn aufkommende Diskussionen, zu denen Du dringend etwas beitragen möchtest, mit dem Hinweis auf unpassende Zeit, erwünschte Ruhe oder Burgfrieden abgewürgt werden? Vermutlich magst Du zu wenig Streit genauso wenig wie zu viel Streit.
Wie viel Streit aber ist richtig und wichtig? Wie streitet man zivilisiert und ergebnisorientiert, ohne den Kitzel der lustvollen Aggression völlig zu verlieren, der einen zum Sticheln und Meckern, Polemisieren und Poltern reizt?
Wie beendet man Streit, ohne Türen hinter sich zuzuknallen oder „Entschuldigung, Entschuldigung“ zu murmeln? Wie können wir von unseren Kontrahenten im Streit tatsächlich etwas lernen, obwohl wir deren Positionen anfangs zum Kotzen fanden? Wie viel Streit gestehen wir unserer Klientel zu, zum Beispiel den Kindern, die sich über – aus unserer Sicht – unnötige Dinge streiten? Trauen wir uns zu, uns mit und vor den Kindern oder Kolleginnen zu streiten? Oder befürchten wir, dass Hierarchien und Rollen sich vermischen?
Streit, stellten wir schon beim Schreiben des Editorials fest,
ist ein Thema, über das man streiten kann. Vielleicht auch mit Dir?
Streit- und zugleich fruchtbare Tage wünscht Dir
Deine wamiki-Redaktion.